Die Logik der Gratis-Retoure

Standpunkt-Beitrag 05/2022, www.logistik-online.ch
Autor: Patrick Kessler

In den letzten Monaten ist die Retoure im Online-Handel zum Lieblingsthema von Gratis- und Sonntagszeitungen geworden. Kein Medium, welches nicht über das «Problem» Retouren und entsprechende Kosten berichtet hat und das Ende des Gratis-Retourenversands heraufbeschworen hat.

Es gibt keine Gratis-Retoure?
Wir können es nicht genug häufig und penetrant wiederholen: Es ist nichts gratis auf der Welt. Die Retoure wird von den Kunden bezahlt: Entweder
über den Kaufpreis der behaltenen Ware oder eben über eine Retourengebühr. Natürlich sind das aus Kundensicht zwei völlig unterschiedliche Ansätze, aber im Endeffekt bezahlt immer jemand dafür. Der Einfachheit halber sprechen wir aber weiterhin von einer Gratis-Retoure.

Wann macht eine Gratis-Retoure Sinn?
Eine kostenfreie Retoure macht insbesondere in jenen Geschäftsmodellen Sinn, in welchen es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Retoure kommt. Davon gibt es genau eine, der textile Online-Handel. Die Retoure im textilen Online-Handel kommt in den meisten Fällen aus folgendem Grund zustande: Der bestellte Artikel sitzt nicht so wie auf dem Bild oder aber das Stück sieht an mir nicht so toll aus wie auf dem Bild. Genau wie auch im Laden – wo man notabene Farbe, Schnitt etc. im Detail vor dem Gang zur Garderobe prüfen kann – wird also tendenziell viel retourniert oder eben zurückgehängt. Die Bilder, die Grössenbeschreibungen, die Avatare etc. können noch so genau sein, online bestellte Textilien werden immer eine hohe Retourenquote haben.
Weil also per se eine hohe Retourenquote wahrscheinlich ist, scheint es opportun, die Sache dem Kunden so einfach wie möglich zu machen: Gratis retournieren ist einfach. Und ob dann zwei oder drei Teile in einem Retourenpaket liegen, ist in erster Linie ein ökonomische Herausforderung für den Händler.

Wann macht eine Gratis-Retoure keinen Sinn?
Bei rationalen, vergleichbaren Gütern oder Gütern mit investivem Charakter macht eine kostenfreie Retoure kaum Sinn bzw. wird vom Kunden auch nicht gesucht. Entsprechend wenig Sinn macht ein solches Angebot eines Händlers. Auch wenn breit filialisierte Omni-Channel-Händler im Textilbereich die Versandretoure kostenpflichtig, die Rückgabe im Geschäft aber gratis machen, scheint das sinnvoll: mit einem sanften finanziellen Anreiz versuchen diese Anbieter die Retoure zu nutzen um Frequenz in der Filialie zu generieren.

Die kostenlose Retoure hat also viele Facetten, aber wirklich Sinn macht diese nur im textilen Online-Handel. Der Realitätscheck zeigt deshalb auch: nur 21 Prozent von 250 untersuchten Onlinehändlern bieten eine Gratisretoure an, insbesondere Textilanbieter. Aber wie wir ja eingangs gelernt haben: Diese Retouren sind sicherlich nicht gratis, sie sind für den wahrgenommenen Moment einfach «kostenlos».

3 responses to “Die Logik der Gratis-Retoure

  1. Auch im Textilhandel sollte man die ökologische Frage stellen. Verleiten doch kostenlose Retouren zu spontanen Bestellungen. Auch ist es längst bekannt, dass diese Services auch ausgenützt werden. Mit einem neuen Teil in den Ausgang und dann gratis an den Onlineshop zurücksenden.

    Aufhören mit diesem Paket-Tourismus und dafür in bessere Produktbeschreibungen, Auswahlunterstützung oder schnellere After-Sales-Services investieren?

  2. Und was ist jetzt genau die Forderung? Retouren müssen kosten oder in bessere Produktbeschreibungen etc. investieren? Die Zweite Forderung ist im ureigensten Interesse des Händlers, allerdings limitiert wirksam (siehe Blogbeitrag) – es wird im textilen Onlinehandel immer Retouren geben.

    Mit der generellen Forderung Retouren kostenpflichtig zu machen, wird man die „Ausnützer“ leider nicht los. Das war schon in der Ära vor der Gratisretoure eine bekannte Herausforderung und diese ist mit dem textilen Online-Boom viel sichtbarer geworden. Auch hier liegt es in der Verantwortung von Unternehmen solche Missbräuche zu unterbinden, da diese nicht in ihrem Interesse sind.

    Betr. Ökologie im Onlinehandel verweise ich gerne auf diese Studie https://www.oliverwyman.com/our-expertise/insights/2021/apr/is-e-commerce-good-for-europe.html . Es ist aber ausser Frage, dass sich jeder Händler den ökologischen Fragen stellen und Antworten dazu finden muss.

    Wir sehen eine generelle gesetzliche Kostenpflicht bei Retouren nicht als probates Mittel. Hingegen ist die Einschränkung in Bezug auf unlimitierte Gratisbestellmöglichkeit ein Hebel, welcher schon im Bestellverhalten und nicht erst bei der Retoure ansetzt. Einige bekannte Händler führen dies nach einer Phase der „Gratis bestellen – gratis zurückschicken“ nun vernünftigerweise wieder ein. Und vielleicht gibt es ja dann mal einen Händler, welcher Überlegungen anstellt, eine oder regelmässige Vollretoure/n mit Versand- und Retourenporto zu belasten.

  3. Hallo Patrick

    Also in der Position etwas zu fordern bin ich nicht und auch wollte ich niemanden angreifen. Die Frage geht eher in diese Richtung: Verlangt man Geld für die Retouren steht vielleicht Geld für andere Aufgaben zur Verfügung. Dies kommt nicht von ungefähr, treffe ich ähnliche Sätze leider schon bald in jeder zweiten Auto-Reply an: Sie müssen jetzt leider ganz lange auf eine Antwort warten. Ja, nicht nur im Onlinehandel und absichtlich macht es keiner – aber Services kosten Geld. Meine Erfahrung mit After-Sale-Services habe ich hier mit einem Augenzwinkern niedergeschrieben: https://noserdigital.ch/Magazin/Ein-Toaster-kann-Spuren-von-Beratung-enthalten/

    Ich bin auch voll bei Dir, muss der Kunde für die Retoure bezahlen, wird nicht auf einen Schlag alles besser. Aber es kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, zudem kann es auch als Statement nach aussen getragen werden. In einem Punkt sind wir uns ja einig – irgendjemand bezahlt die Zeche. Soll es zudem Wirkung zeigen, dann müssen grosse Player voran gehen und eine USP ist die „kostenlose Retoure“ schon lange nicht mehr. Bei einem anderen grossen Player muss man sich zusätzliche Services mit regelmässigen Bestellungen verdienen.

    Gesetzlich? Da stehen wir auch auf der gleichen Seite und ich würde für eine Ablehnung eines solchen Ansinnens kämpfen. Ich bin da auch noch einer, der auf Vernunft setzt. Aus der Branche höre ich jedoch auch, dass dieser Paket-Tourismus und der damit verbundene, gesamte Aufwand ein Problem ist.

    Danke für den Link, den Text werde ich ausführlich studieren.

    Gruss
    Alfred

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