In Abstimmung und mit Dank an den Verfasser Beat Spicher, Projektleiter steuerpolitische Geschäfte, Abteilung Steuergesetzgebung, Eidgenössische Steuerverwaltung publizieren wir folgenden Artikel:
Der Bundesrat hat im September die Botschaft zur MWST-Revision verabschiedet. Diese sieht unter anderem die Einführung der sogenannten Plattformbesteuerung vor. Der vorliegende Artikel zeigt auf, wie diese in der Schweiz umgesetzt werden und welche Sanktionsmöglichkeiten der Bund erhalten soll.
Schweizerische und ausländische Online-Versandhandelsunternehmen und Online-Plattformen stehen untereinander in scharfem Wettbewerb. Sie konkurrenzieren aber auch den stationären Detailhandel. Problematisch sind dabei nicht zuletzt die durch die Mehrwertsteuer verursachten Wettbewerbsverzerrungen zulasten der schweizerischen Unternehmen.
Die vom Bundesrat am 24. September 2021 verabschiedete Botschaft sieht eine Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen vor und für Versandhandelsplattformen zusätzlich die Mehrwertsteuerpflicht anstelle des Versandhandelsunternehmens. Bestrebungen, den über Plattformen abgewickelten Online-Handel vollumfänglich zu besteuern, gibt es nicht nur in der Schweiz, sondern auch in der EU und in den Mitgliedsländern der OECD.
Für Waren, die sie im eigenen Namen verkaufen, wurden die Plattformen schon bisher steuerpflichtig, wenn sie mindestens 100 000 Franken Umsatz aus Kleinsendungen (Einfuhrsteuerbetrag max. 5 Franken) vom Ausland ins Inland erzielten. Neu gelten Plattformen für die Belange der Mehrwertsteuer aber auch als Lieferantinnen der mit ihrer Unterstützung verkauften Gegenstände. Hierzu wird die Lieferung vom Verkäufer an die Kundin aufgeteilt in eine Lieferung vom Verkäufer an die Plattform und eine Lieferung von der Plattform an die Kundin. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Kleinsendungen oder Grosssendungen (Einfuhrsteuerbetrag > 5 Franken) handelt.
Die neuen Bestimmungen auferlegen den Plattformen folgende neue Pflichten:
- Die Plattformen müssen dafür sorgen, dass die Sendungen so gekennzeichnet sind, dass sie ihr an der Grenze automatisiert zugeordnet werden können. Wie bisher veranlagt die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) die Einfuhrsteuer nur bei Grosssendungen. Die Plattformen müssen diese aber nicht der EZV entrichten, sondern können sie in der vierteljährlichen Abrechnung mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) deklarieren und gleich wieder als Vorsteuer in Abzug bringen (Verlagerungsverfahren).
- Die Plattformen müssen der ESTV in regelmässigen Abständen eine Liste aller Einfuhren zustellen, damit diese einen Abgleich mit den an der Grenze deklarierten Sendungen vornehmen kann.
- Darüber hinaus besteht für alle Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen eine Auskunftspflicht hinsichtlich der Unternehmen und Personen, die Lieferungen oder Dienstleistungen auf ihrer Plattform anbieten. Diese Massnahme zielt insbesondere auf Erbringerinnen und Erbringer von Beförderungs- und Beherbergungsleistungen, die sich als mehrwertsteuerpflichtige Personen registrieren lassen müssen.
Melden sich ausländische Unternehmen zu Unrecht nicht als steuerpflichtige Personen an oder mangelt es an ihrer Abrechnungs- und Zahlungsmoral, hat die Verwaltung kaum Möglichkeiten, die geschuldete Steuer zu erheben. Die Vorlage des Bundesrates sieht deshalb vor, dass die ESTV administrative Massnahmen gegen inländische und ausländische Versandhandelsunternehmen und -plattformen anordnen kann, die sich nicht rechtskonform verhalten. Sie kann zwei Arten von administrativen Massnahmen anordnen, wobei immer zuerst die mildere verfügt werden muss: Die ESTV kann verfügen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Kleinsendungen mehr eingeführt werden dürfen, die vom fehlbaren Unternehmen geliefert werden. Zeitigt dieses Einfuhrverbot keine Wirkung, so kann die ESTV eine Vernichtung der Kleinsendungen dieses Unternehmens verfügen. Damit sich die Konsumentinnen und Konsumenten gegen die negativen Folgen solcher administrativer Massnahmen wappnen können, werden sowohl die Namen der steuerpflichtigen Versandhandelsunternehmen und Plattformen als auch die Namen der Unternehmen, gegen die administrative Massnahmen verhängt sind, auf der Website der ESTV publiziert.
Weiteres Vorgehen: Die Änderung des Mehrwertsteuergesetzes wird voraussichtlich nächstes Jahr vom Parlament verabschiedet werden. Anschliessend ist die Mehrwertsteuerverordnung anzupassen. Für das Inkrafttreten der Teilrevision kann noch kein fixes Datum genannt werden. Der Bundesrat hat jedoch bereits in der Botschaft klargestellt, dass die Plattformbesteuerung eine angemessene Inkraftsetzungsfrist benötigt. Sie wird also nicht vor dem 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt werden.

