Schadenersatzklage betreffend Interchange Fee gegen Mastercard und Visa

Beitrag von Severin Pflüger, Geschäftsführer Verband Elektronischer Zahlungsverkehr (VEZ) 

Die Mitglieder des Verband Elektronischer Zahlungsverkehr (VEZ) sind seit Jahren mit unverhältnismässig hohen Interchange Fees konfrontiert, die ihnen ohne echte Verhandlungsmöglichkeit auferlegt werden. Der VEZ unterstützen daher die vom Verband für einen fairen und freien Wettbewerb im Zahlungsverkehr (VWZ) koordinierte Schadenersatzklage gegen Mastercard und Visa. Ziel ist es, kartellartige Strukturen im Zahlungsverkehr aufzubrechen und faire Rahmenbedingungen für Händler in der Schweiz zu schaffen.

Schadenersatzklage gegen Mastercard und Visa: Schweizer Händler fordern Rückzahlung unrechtmässiger Kartengebühren

  • Unrechtmässige Gebühren: Über 35 Schweizer Händler fordern Schadenersatz für überhöhte, unrechtmässig festgesetzte Interchange Fees der letzten drei Jahre – eingeklagt durch eine Streitgenossenschaft.
  • Enorme Belastung: Händler zahlen 0,12–2,05% pro Transaktion – bei einem jährlichen Handelsumsatz über Kredit- und Debitkarten von über CHF 50 Milliarden.
  • Streitwert: Der Streitwert beträgt CHF 142 Millionen.
  • Rechtsgrundlage: Die Klage stützt sich auf Art. 12 Abs. 1 lit. b des Kartellgesetzes (KG) sowie internationale Präzedenzfälle.
  • Klare Forderung: Die Kläger fordern die Rückzahlung überhöhter Gebühren und eine wirksame Begrenzung kartellartiger Praktiken im Zahlungsverkehr.

Mehrere grosse Schweizer Detailhändler (Coop, Coop Pronto, DERTOUR Suisse, Fluggesellschaft Edelweiss, Fluggesellschaft SWISS, PKZ, TUI Suisse, Volenergy und andere) haben gemeinsam mit dem Verband für einen fairen und freien Wettbewerb im Zahlungsverkehr (VWZ), welcher die Interessen weiterer 24 kleinerer und mittelgrosser Händler vertritt, beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Kartenfirmen Visa und Mastercard eingereicht. Unter diesen kleineren Händlern befinden sich Bekleidungsgeschäfte, Mitgliedfirmen der AVIA Vereinigung, Onlineshops, Restaurants und Hotels. Im Fokus stehen die sogenannten Interchange Fees, ein zentrales Element des Kartenzahlungssystems, das Händler bei jeder Kartenzahlung belastet.

Ziel der Klage ist es, Schadenersatz für unrechtmässig festgesetzte und überhöhte Interchange Fees rückwirkend für drei Jahre geltend zu machen, die eine erhebliche und ungerechtfertigte Belastung für Händler darstellen.

Die Kläger haben sich zu einer Streitgenossenschaft zusammengeschlossen. Diese kollektive Klageform ermöglicht es, die unrechtmässig erhobenen Interchange Fees effizient und gemeinsam geltend zu machen.

Begründung der Klage
Wer durch eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert wird, kann kartellzivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Die Wettbewerbswidrigkeit der Interchange Fees wurde von internationalen und der Schweizer Wettbewerbsbehörde mehrfach festgestellt. Der VWZ beruft sich auf ökonomische Studien und rechtliche Gutachten, die zeigen, dass die Gebühren erheblich über einem fairen Marktpreis liegen. Die Händler, die diese Gebühren zahlen müssen, tragen damit unrechtmässige Kosten, die durch die Klage zurückgefordert werden sollen.

Rechtliches Fundament
Die Klage der Schweizer Händler stützt sich auf Art. 12 Abs. 1 lit. b KG und umfangreiche ökonomische Gutachten, die belegen, dass die Interchange Fees nicht durch marktgerechte Leistung, sondern durch einseitige Festlegungen der Kartensysteme bestimmt sind.

Vergleichbare Klagen in Grossbritannien (z. B. Sainsbury’s vs. Mastercard/Visa) und den USA führten bereits zu Urteilen und milliardenschweren Vergleichen.

Funktionsweise des Systems und Wettbewerbsbehinderung
Das Zahlungssystem von Visa und Mastercard, bekannt als Vier-Parteien-System, sieht vor, dass Händler bei jeder Kartentransaktion sogenannte Interchange Fees zahlen müssen.  In diesem System stehen Händler, Karteninhaber (Konsumenten), Kartenverarbeiter (Acquirer) und Kartenherausgeber (Issuer) in einem festen System miteinander in Beziehung. Konsumenten bezahlen mit ihrer Kredit- oder Debitkarte, während der Händler den Kaufbetrag erhält – jedoch abzüglich Gebühren (Interchange Fees), die durch den Acquirer einbehalten werden. Diese Gebühren fliessen an den Issuer (z. B. Banken, die die Karten herausgeben). Die Gebührenhöhe wird von den Kartenorganisationen (Visa und Mastercard) einseitig festgelegt, ohne dass Händler Verhandlungsmöglichkeiten haben.

Allein im stationären Handel erzielte die Finanzindustrie 2023 mit Debit- und Kreditkarten Gebühreneinnahmen von knapp CHF 3.5 Milliarden – bei einer operativen Marge von fast 60%. Diese Marge ist laut Gutachten nur möglich, weil ein funktionierender Wettbewerb gezielt verhindert wird.

Alltäglicher Kartengebrauch – strukturelle Abhängigkeit der Händler
Der schweizerische Handel setzt über CHF 50 Milliarden im Jahr über Kredit-, Debit- und Kundenkarten um. Die Interchange Fee beträgt 0.12 bis 2.05% des über Karten abgewickelten Umsatzes, je nach Zahlungsmittel, Branche, geografischer Herkunft der Konsumenten und Art der Transaktionen.

Kartenzahlungen sind heute Standard. 90% der über 15-Jährigen besitzen in der Schweiz eine Debitkarte, 80 % eine Kreditkarte. Bei rund 25,5 Millionen im Umlauf befindlichen Karten auf 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ist der bargeldlose Zahlungsverkehr längst Normalität. Weit über die Hälfte aller Transaktionen werden inzwischen mit Bankkarten oder mobilen Kartenzahlungs-Apps durchgeführt. Bargeld spielt nur noch eine Nebenrolle.

Für Händler ist die Akzeptanz von Kartenzahlungen deshalb keine Option, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Ebenso wenig interessiert es Konsument:innen, ob sie mit Visa oder Mastercard bezahlen – Hauptsache es funktioniert überall. Genau diese breite Verbreitung und Austauschbarkeit der Karten erlauben es den Kartenorganisationen, ihre Gebühren einseitig festzulegen, ohne dass Händler darauf Einfluss nehmen könnten.

Gleichzeitig ist der Betrieb des Systems für die Finanzindustrie mit minimalen Risiken verbunden. Dennoch wurden allein im stationären Handel 2023 Margen von rund 60% erzielt – eine Gewinnspanne, die in etablierten, risikoarmen Infrastrukturbereichen kaum anderswo vorkommt.

Ziel der Klage
Die Kläger fordern die Rückerstattung der überhöhten Gebühren sowie die strukturelle Korrektur der Gebührensysteme. Damit soll langfristig ein fairer und freier Wettbewerb im Zahlungsverkehr hergestellt werden – zum Nutzen von Handel, Konsument:innen und Innovation.

Weiterführende Informationen
Für weiterführende Informationen und Anfragen verweisen wir an die Geschäftsstelle des VWZ als verantwortliche Instanz in diesem Verfahren.

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