Das Amazon Geheul

Zugegeben, etwas überrascht war ich schon auch, als ich diese Woche die Mitteilung von Amazon gelesen habe, dass Amazon.com nicht mehr in die Schweiz liefern möchte. Ich musste zwei Mal lesen, was da mitgeteilt wurde. Offenbar hat sich der „amerikanische Teil“ von Amazon entschieden, die MWST-Anforderung (deklarieren und bezahlen von 2.5 % bzw. 7.7 %) der Schweiz nicht zu erfüllen und auf Belieferungen in die Schweiz zu verzichten. Hingegen werden alle europäischen Plattformen .de, .fr, .it, .es und .co.uk weiterhin in die Schweiz liefern und ab 1.1.2019 auf den Sendungen MWST bezahlen.

Warum entscheidet Amazon so etwas? Keine Ahnung, es ist mir schleierhaft, wo doch immer angekündigt wurde, dass Amazon mit der Schweizer Post kooperieren werde und zum Grossangriff auf die Schweiz blase.

Und was passiert? Ein weiterer Aufschrei der Empörung der genau gleichen Medien mit sehr vielen reisserischen Schlagzeilen und recht wenig inhaltlicher Sachlichkeit geht durch den digitalen Blätterwald – eine fette Schlagzeile musste einfach her (Blick: Keine Lieferungen ab 26. Dezember – Abrechnung der Schweizer MwSt ist Amazon zu mühsam).

  • Inhaltlicher Nachtrag 9.12.18: Und was stellt die Qualitätszeitung NZZ am Sonntag im Schlussvotum fest? „Statt neuer Bürokratie hätte der Fiskus einheimischen Händlern die Steuern auf Kleinbeträgen ebenfalls erlassen oder die Portale in Haftung nehmen können“. Im Ernst jetzt? Migros, Coop, Valora oder einfach gesagt alle müssten keine MWST mehr bezahlen bis auf eine Konsumationshöhe von 65 CHF? Ich glaub ich bin im falsche Film – so etwas können nur komplett Ahnungslose in einer Schreibstube behaupten. Ach und übrigens: Der Vorschlag betr. Plattformbesteuerung liegt seit Mai 2018 in Bern beim Parlament… etwas Recherche wäre doch noch zu erwarten oder?

Aber was ist geschehen? Amazon kündigt in einem recht nüchternen Email an, dass keine Sendungen ab Amazon.com mehr in die Schweiz erfolgen. Die scharfen Rechner und Experten von Carpathia kommen zum Schluss: Dieser Umsatzanteil muss zu gering sein, als dass es sich für Amazon lohnt, deren amerikanische Plattform auf Schweizer Anforderungen anzupassen. Oder noch schärfer formuliert: Für Amazon ist dieser Umsatzanteil ab Amazon.com für die Schweiz offensichtlich irrelevant. Wir dürfen also davon ausgehen, dass der Amazon.com Umsatz in der Schweiz kaum die 10 % Hürde des Gesamtumsatzes von Amazon in der Schweiz überschreitet. Und was passiert? Geheul. Man spricht von MWST-Bürokratie, Zollschranken und Protektionismus. Mit Verlaub: die 5 anderen Amazon Plattformen schaffen es mit Ihren Sortimenten und Angeboten „die MWST-Bürokratie zu überwinden“, den Protektionismus zu ignorieren und die Zollschranken zu unterlaufen. Aber Amazon.com schafft es nicht? Und alle Schweizer und auch die meisten ausländischen Händler schaffen es, diese unglaubliche Bürokratie zu überwinden und in der Schweiz zu verkaufen?

Liebe Journalisten: Wäre es dann nicht endlich an der Zeit, dass ihr diese unglaubliche Bürokratie, das gesamte MWST-Regime, unsere Deklarationsvorschriften und unsere Zollvorgaben endlich in Frage stellt? Gerade wenn das omnipotente Amazon.com vor der Schweiz kapituliert, wäre es doch spannend zu wissen, wie viel bürokratischer unser MWST-Gesetz als dasjenige in Deutschland oder den USA (Sales Tax) ist. Oder man könnte mal beim Zoll fragen, warum Sendungen in die Schweiz immer noch nach Gewicht verzollt werden und nicht nach Wert (wie es 99 % der anderen Nationen auf unserem Globus machen). Oder man könnte einen kleinen Schweizer Händler fragen, wie er mit diesen unglaublichen bürokratischen und protektionistischen Formalitäten zurecht kommt. Oder man könnte sich fragen, warum Beauty Produkte trotz Cassis de Dijon den Graumarkt-Weg in die Schweiz nicht finden. Oder, oder, oder.   

So, nun bin ich gespannt auf Eure Recherchen! (Tip: Beginnt damit auf unserer Website… )

Nachtrag 1: Es haben sich bei mir 3 Journalisten gemeldet und nachgefragt. Einer dieser Journalisten hat einen „fragenden“ Artikel dazu verfasst, zwei haben noch nichts geschrieben, weil das Thema mit dem Gespräch deutlich an Relevanz verloren hat und mit den Erklärungen auf einmal ganz andere Facetten von Interesse waren…

Nachtrag 2: grade am Freitag 7.12.18 wurde vom BR wieder eine Raketenstufe gezündet und niemand hat es bemerkt, ich gebe Euch eine Chance… und sonst mehr dazu demnächst in diesem Blog (ich muss nämlich auch ein wenig recherchieren und nachfragen, bevor ich schreibe)

6 responses to “Das Amazon Geheul

  1. Das Beste wäre der Beitritt in die EU und Schluss mit den Sonderzüglein von eigener MwSt und Schweizer Franken und in allen Ländern in der Sonderzollkontrolle mit anderen Nicht-EU-Bürgern anstehen, während die andern unkontrolliert durchgehen…

    1. Sehr geehrter Herr Strebel,

      das dürfte schwierig steueraufkommensneutral umzusetzen sein, denn sowohl aus der eigenen Währung als auch aus der eigenen Zollidentität ergeben sich erhebliche Einnahmen für den Schweizer Staat.
      Allein die Mehrwertsteuer auf Einfuhren betrug im Jahr 2017 gemäss EZV-Statistik über 10 Milliarden CHF (exakt 10’509’394’429 CHF)
      Die SNB verdient an jedem Euro der über Ihre Transaktionen läuft einen kleinen
      Bei vielen EU-Staaten fielen durch den Beitritt zur EU und allfällig zum EURO erhebliche Einnahmen weg.
      Ich persönlich traue es mir nicht zu, einen Beitritt zur EU und zum EURO auf einem Bierdeckel durchzurechnen.

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