Die Schweiz und das Internet

GLOBALE HERAUSFORDERUNGEN FÜR NATIONALES HANDELSDENKEN

Alexander Graf von kassenzone.de hat in einem Blog Beitrag einen Blick auf die Schweizer Handelslandschaft geworfen und drei Thesen aus eigenen früheren Blogbeiträgen „über die Schweiz gestülpt“. Nachdem das Thema Einkaufstourismus, „lack of E-Commerce driven companies“ in der Schweiz, Preisdifferenzen etc. immer wieder recht pauschal breitgetreten wird, versuche ich mit einer etwas ausführlicheren Replik das Thema einzuordnen (damit unser „Schwesterverband“ SRF einen richtig guten Jahresbericht bekommt…)

ERGÄNZENDE BETRACHTUNGEN ZUM SCHWEIZER MARKT

Mit grossem Interesse und Engagement beteilige ich mich seit über 15 Jahren an den Diskussionen rund um den Schweizer Handelsmarkt, ich durfte selber die eine oder andere kleinere Währungskrise als Händler „mitgestalten“ und war während 8 Jahren ein Verantwortlicher eines solchen „ausländischen Anbieters“.

WELCHE BRANCHEN TREIBEN DEN „OFFLINE“ SCHWEIZER EINKAUFSTOURISMUS?

1. LEBENSMITTEL – DIE WURZEL DES PHÄNOMENS

Die preislich am stärksten entkoppelten Güter sind Lebensmittel. Aufgrund einer restriktiven und bäuerlich existenzsichernden Landwirtschaftspolitik kann der Schweizer Lebensmittelmarkt in den Bereichen Milch und Fleisch, teilweise auch Gemüse, für ausländische Unternehmen als abgeschottet erklärt werden. Hingegen werden dem Individuum grosszügige Zollfreiheiten für den Eigenimport gewährt.

Dieser Umstand führt zum Phänomen Einkaufstourismus und „Konstanzer Szenen“ wie im Bericht von Alexander erwähnt. Überspitzt formuliert stellt der Konsument mit dem Einkaufstourismus seine Kalorienzufuhr zu einem viel tieferen Preisniveau sicher – die Qualität der ausländischen Lebensmittel scheint dabei auch nicht sonderlich problematisch zu sein. Dass der Konsument dann gleichzeitig auch noch andere preisgünstige Produkte mit auf den Heimweg nimmt, ist nicht verwunderlich. Die Preisentkoppelung im Bereich Food steht am Anfang des Phänomens Einkaufstourismus.

Übrigens: Haben Sie gewusst, dass
  • der Detailhandel Schweiz rund 50 % des Umsatzes mit Food und Near Food Artikeln generiert? In Deutschland und Österreich bewegen wir uns bei dieser Verhältniszahl bei rund 35 % zu 65 %! Man sieht also bereits an dieser Zahl, dass hier etwas nicht stimmt bzw. anders ist. Viel mehr essen und trinken wir Schweizer nämlich nicht als EU-Bürger und im BMI-Index-Vergleich sind wir meines Wissens auch recht gesund unterwegs.
  • die Schweizer Politik den Verkauf von Käse, Schoggi (Schokolade) etc. im Ausland subventioniert? D.h. Unternehmen bekommen Zuschüsse, wenn heimische Lebensmitttel ins Ausland exportiert werden? Dies mutet grotesk an (ist es auch) – der Schweizer Konsument hat aber meistens keine Ahnung von diesen Geldflüssen und empört sich (zu Recht), dass er Schweizer Produkte in der Schweiz teurer kaufen muss als im Ausland.
Behauptung 1: Der Offline-Antrieb und Frequenztreiber für Einkaufstourismus sind die Preisunterschiede bei den Lebensmitteln.

2. BEAUTY / HYGIENE – KOMMT AUCH NOCH IN DEN KORB

Mit dem Einkauf von Lebensmitteln wandern natürlich auch Beauty Produkte in den Warenkorb. Auch hier stellen wir zum Teil exorbitante Preisunterschiede fest. Nun würde ich niemals behaupten oder nachweisen können, dass diese Preisunterschiede gerechtfertigt sind, aber….  wir Schweizer müssen uns in diesem Bereich wirklich auch selber an der (politischen) Nase nehmen.

Solange wir via Gesetze und Verordnungen für jedes Gesundheits/Beautyprodukt im Vergleich zum Ausland andere Verpackungen, Deklarationen, Bewilligungen oder Sprachen wünschen, müssen wir uns nicht wundern, dass hier mit Preisdifferenzierung gearbeitet wird (oder werden muss). Skaleneffekte wirken dann einfach nicht, da häufig die Verpackung teurer ist als der Inhalt…. Wenn man dann noch überhöhten Schweizer Werbekosten dazu addiert (ich mutmasse mal dass gerade bei Beauty Produkten ein recht ansehnlicher Kostenanteil ins Marketing fliessen muss), dann muss man sich nicht unbedingt über Preisdifferenzen wundern. Selbst Graumarktimporte (aus Unternehmenssicht) sind bei Parfums etc. schwierig, der Zoll schaut da ziemlich genau drauf.

Übrigens: Haben Sie gewusst, das
  • Fisherman’s Friend in der Schweiz als Medizinalprodukt eingestuft sind?
  • auf jeder Verpackung eines Parfums der Schweizer Importeur vermerkt sein muss?
  • Rezeptfreie Medikamente in der Schweiz im Versandhandel nicht ohne Arztrezept verkauft werden dürfen (hingegen der Konsument fast jedes im Ausland erhältliche Medi in die Schweiz schicken lassen darf)?
Behauptung 2: Wir graben am eigenen Handelsgrab mit sinnfreien Zusatz-Vorschriften, welche hauptsächlich von Konsumentenschutzorganisationen aber auch Lobbyisten (Pharma, Bauern) getrieben sind.
Diese beiden „geschützten“ Sortimente verursachen die hohe Frequenz des physischen Einkaufstourismus und bilden Basis / Ausgangslage für weitere Beschaffungen („wenn ich dann schon mal da bin“) und den Online-Einkaufstourismus. Womit wir bei den Themen Büchern/CD/DVD und Textilien wären, welche als Sortimente eigentlich keinen oder nur wenig Schutz durch die Politik geniessen

 

DIE TREIBER DES ONLINE EINKAUFSTOURISMUS

3. BÜCHER/CD/DVD – ZUM GLÜCK KEINE BUCHPREISBINDUNG?

Zuerst eine subjektive Einschätzung, welche wahrscheinlich nicht alle Kollegen aus dem Buchhandel teilen: Die Schweiz hat zum Glück vor einigen Jahren vorbildlich gehandelt und die Buchpreisbindung aufgehoben (zwar hat es nochmals Versuche gegeben, die Preisbindung inkl. ausländischem Onlinehandel wieder einzuführen, das Volk war dagegen). Man stelle sich vor, der Schweizer Buchhandel müsste sich heute noch an die gebundenen CHF-Preise der Verlage halten – noch weniger Konsumenten würden bei ExLibris, OrellFüssli und Co.  zu Schweizer Preisen einkaufen sondern sich fast ausschliesslich bei Amazon über Lieferadressen etc. eindecken oder der alte Buchklub als Umgehungskonstrukt (Bertelsmann, NSB) hätte vielleicht noch ein wenig länger durchgehalten.

Die Aufgabe der Buchpreisbindung hat sich damit in meiner Auslegeordnung im Nachhinein als Glücksentscheid erwiesen, da der Preisdruck im Markt schon vor Jahren aufgebaut wurde und man im Schweizer Buchhandel heute zu recht guten Preisen fast jedes Buch bekommt. Wenn ein Deutscher Konsument Glück hat, kann er heute u.U. ein Buch in der Schweiz günstiger kaufen als im Heimmarkt (so zum Beispiel das E-Commerce Buch vom Alexander Graf – hat Thomas Lang doch mal getweetet…).

Der Schweizer Buchhandel kämpft abgesehen von der digitalen Substitution erstaunlich gut gegen Amazon. Langfristig wird aber die Digitalisierung die Schlacht entscheiden und die Buch/Musik/Film Branche weiter durchschütteln, wobei Amazon hier mit Kindle, Prime und Co ebenfalls dazu beitragen wird.

Behauptung 3: Der Handel mit Büchern / Musik / Film wird nicht nur von Amazon bedrängt, die Digitalisierung dürfte der stärkere „Problemtreiber“ sein. Der Effekt des Einkaufstourismus bzw. Amazon ist nicht wegzudiskutieren, aber die Schweizer Anbieter geben ihre Position nicht kampflos auf.

 

4. TEXTILIEN – HABEN WIR WIRKLICH EIN PROBLEM ODER IST ES VIELLEICHT GAR NICHT SO WAHNSINNG ANDERS WIE VOR 10 JAHREN?

Sind wir mal ehrlich: Wahrscheinlich werden schon seit über 10 Jahren mehr als 50 % der Textilien bei Unternehmen mit ausländischen Wurzeln gekauft. Diverse ursprünglich starke Schweizer Textil-Händler sind in ausländischen Händen aufgegangen (AckermannVeillon, Dosenbach) oder ganz verschwunden (länger schon Spengler, EPA, ABM, kürzlich Bernies, Companies, … ). Noch aktive Schweizer Anbieter wie PKZManorSchild/Globus, Vögele oder Jelmoli (Warenhaus) kämpfen nicht nur mit dem boomenden Online-Handel.

Eigentlich treiben seit Jahren ausländische Anbieter wie H&M, C&AZaraDeichmannOtto-Gruppe und neu halt auch Zalando den Schweizer Textil-Handel vor sich her.

Umgekehrt formuliert würde ich also nicht von einer Online-Krise von Schweizer Textilhändlern sprechen sondern einfach mal unterstellen, dass die generelle Internationalisierung im Textilhandel die Schweiz schon vor dem Onlinehandel erfasst hat und es kein massentaugliches Format aus der Schweiz in die Welt hinaus geschafft hat. Auch nicht im Online-Zeitalter – warum auch? Man bewegt sich als Händler in der Schweiz zu Anfang  einfach in einem kleinen und komplizierten Heimmarkt und es braucht schon Rückgrat und einiges an Kapital um heute noch den textilen Handel umkrempeln zu wollen.

Hingegen gibt es bei den Herstellern durchaus die eine oder andere löbliche Ausnahme mit Schweizer Ownership (AkrisMammutFreitagCalidaZimmerliStrellsonOdlo, LaCoste etc.), sie machen auch international einen guten Job, ich hoffe das hält noch eine Weile an.

Nun fällt mir dann doch noch einer ein, der den Fashion Markt als Händler aufgemischt hat – allerdings nicht in, sondern aus der Schweiz heraus in Osteuropa:  FashionDays wurde von Schweizern gegründet, aus der Schweiz „gesteuert“ und hat in Osteuropa eine sehr starke Stellung aufbauen können. Mittlerweile wurde aber das Unternehmen an Naspers verkauft und die Gründer sind aus dem Unternehmen ausgeschieden. Somit dürfte auch das Headquarter nicht mehr lange in der Schweiz sein.

Und noch einer: Die Holy Fashion Group hat ihren Sitz in der Schweiz (amüsant: in Kreuzlingen direkt bei Konstanz) und macht meines Erachtens einen durchaus guten Job in Sachen Brandaufbau mit Strellson, Joop! und Windsor – ich kann aber nicht auf Anhieb feststellen ob es ein Urschweizer Unternehmen war… Der ehemalige CEO Rainer Pichler (danach kurz bei s.oliver, seit kurzem bei Calida) hatte grosse Pläne (wobei er 2004 um online noch einen grossen Bogen machte) und sein Nachfolger Marcel Braun wohl ebenfalls. Sie sitzen in der Schweiz, aber man liest halt nicht so viel von Ihnen.

Tja und dann sollte man die Ostschweizer Haute Couture Produzenten (Akris) nicht vergessen. Frau Präsidentin Obama, Cameron Diaz, die Prinzessin von Monaco oder wie auch immer tragen Produkte aus der Ostschweiz und Akris kann man heute auch online erstehen.

Also: Es ist keine Schweizer Online-Textilhandelskrise oder was auch immer, es ist ein „Problem“ der Massentauglichkeit und der Visionen von Schweizer Textilhändlern in der Schweiz.  Solange der Markt wenig transparent und der Kunde regional „orientiert“ war, konnten textile Handelskonzepte in der Schweiz gedeihen und der eine oder andere Händler hat auch den Schritt ins Ausland gewagt. Heute ist der Markt transparent und global.

Noch sind in der Schweiz ein paar sehr schöne international gut aufgestellte Marken zu Hause. Und ich glaube nach wie vor, dass aus Schweizer Sicht der Produktmarke und nicht unbedingt der Handelsmarke die Zukunft gehört. Aber auch eine Produktmarke zu sein ist eine echte Herausforderung.

Behauptung 4: Der heutige Zustand mit ausländischer Textil-Handelsdominanz ist nicht einzig und allein auf den Online-Handel sondern auf die Entwicklungen um die Jahrtausendwende mit starken Verticals zurückzuführen. Der Online-Handel treibt die damals eingeleitete Entwicklung nun weiter.

 

5. HEIMELEKTRONIK – IN SCHWEIZER HÄNDEN

Die umsatzstärkste Online-Branche in der Schweiz ist Heimelektronik. Und nein, es hat nichts oder nur wenig mit hohen Preisen und Steckern zu tun. Im Gegenteil: Die Preise sind tief, zum Teil tiefer als in vielen Europäischen Ländern (inkl. Deutschland). Warum dem so ist, ist wirklich schwierig nachzuweisen. Meine These:

  • Wir hatten sehr früh einen „Rule-Breaker“ mit digitec im Online Markt – konsequente Graumarktpolitik gepaart mit jungunternehmerischem Geschick hat unglaublich Wind in den Markt gebracht (heute gehört digitec zur Migros).
  • Die Migros hat in früheren Jahren mit M-Electronic sehr starke Eigenmarken-Politik betrieben und damit den etablierten Industriemarken Paroli geboten (macht Migros heute eigentlich noch Eigenmarken im Electronic Bereich?). Dies hat Druck auf das Preisniveau von Industriemarken in der Schweiz ausgeübt.
  • Media Markt hat die Schweiz relativ früh „erobert“ und im Gegensatz zum Bereich Lebensmittel oder Textilien die „Geiz-ist-Geil“ Mentalität in den Markt getragen – für einmal haben es die Schweizer gedankt . Bei Aldi und Lidl war das bislang noch nicht so wahnsinnig erfolgreich – auch wenn beide sich kontinuierlich vorwärts entwicklen.

Heute geniessen wir in der Schweiz einen hochstehenden Wettbewerb unter den Heimelektronik-Anbietern und wir können zwischen preisagressiven und serviceorientierten Anbietern bei hoher Liefergeschwindigkeit auswählen.

Behauptung 5: Es dürfte im Heimelektronik Markt  für Amazon und Co kurzfristig teuer werden, den Heimelektronikmarkt platt zu walzen. (Und ja, der CH-Stecker ist dann am Schluss schon auch immer wieder eine Hürde)

 

ABER EIGENTLICH WOLLTE ALEXANDER GRAF JA RÜCKMELDUNGEN ZU SEINEN THESEN:

#1: Einverstanden. Gilt für den Grossteil der Online-Käufer, und es werden natürlich immer mehr. Das Beispiel Festplatte oder Elektronik ist aber ganz schlecht gewählt. Grade im Marken-Elektronikbereich(homogene Güter) haben wir erstaunlicherweise ein kompetitives Preisniveau – häufig sogar günstiger als in Deutschland. Hingegen schätzen die Schweizer Konsumenten natürlich die unglaubliche Angebotsvielfalt und das attraktive Preisniveau auf ausländischen Markplätzen auch.

Ich bin aber mit dir einig, dass bei homogenen Produkten eine nicht umkehrbare Bewegung in Richtung dieser Plattformen den Handel brachial verändern wird und vielleicht auch der eine oder andere ausländische Elektronikhändler seinen Platz in der Schweiz finden kann. (siehe auch mein Referat: Cross Border Provokationen). Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn solche Importe ohne Entäuschungen und Hürden (Zusatzkosten, Verzögerungen) für Konsumenten möglich gemacht werden und ebenfalls in akzeptabler Laufzeit erfolgen.

Ich bin mit dir einverstanden, dass die Grundidee von siroop sehr spannend und für den traditionellen Schweizer Handel ein Strohhalm sein müsste. Man muss sich aber einfach auch bewusst sein, dass der Weg dahin ein sehr langer ist und am Schluss die Masse den Takt bestimmt. Die Frage in dieser Konstellation wird dann lauten: „Wer führt bei siroop die Masse zu?“ und „Wie kann die dezentrale, lokale Komplexität der Logistikprozesse abgebildet und für die Kundenzufriedenheit sichergestellt werden?“. Ich wünsche mir, dass es gelingt!

#2: Bedingt einverstanden. Gilt meines Erachtens für Industriemarken in der preislichen Mitte und Masse, was ja vor allem die SRF-Fragestellung in Bezug auf den „traditionellen“ Handel angeht.

In der Tat sehe ich derzeit das grösste Problem mit den China-Direktimporten heranwachsen. Dort geht es dann jedoch kaum mehr um Markenprodukte sondern einfach um billige „Ware“, welche ohne jeglichen Zwischenhandel beim Konsumenten landet.

Nicht einverstanden bin ich mit der Aussage „Abgesehen davon, dass auch Schweizer Produkte nur mehr von ihrem Ruf leben“. Natürlich gibt es solche Produkte, welche noch vom Ruf zerren. Es gibt aber immer wieder neue Schweizer Konsum-Produkte, welche die Welt in einem grösseren oder kleineren Segment ein wenig erobern können. Nespresso, Babynes, Swatch, Victorinox, Freitag, Blacksocks (.. ein Händler)…. Man kann debattieren ob diese in der online Welt überleben werden (sie werden fleissig kopiert), aber dass sie nur von ihrem Ruf leben, dagegen würde ich mich dann schon wehren.

#3: Einverstanden. Die Marken und Hersteller gehen direkt an den Kunden, ob es der Händler so wahrhaben möchte oder nicht. Die eine oder andere kommunikative Beruhigungspille hier, ein kleines Entgegenkommen da – die Entwicklung ist nicht aufzuhalten.

Auf die andere Seite kann ich mir schon vorstellen, dass es grade den Herrn Cochero im Kleinen weiter geben wird und er auch ein für ihn rentables Geschäft betreiben kann. Er wird nicht wahnsinnig reich damit, aber er kann sich seinen Lebensunterhalt bestreiten, vielleicht ein Auto besitzen und in die Ferien fahren.

Gleichzeitig ist das aber genau der Problembeschrieb des Schweizer Handels. Im Kleinen kann noch was bestehen, reicht es aber aus mit vielen solchen Kleinst-Unternehmen für die Volkswirtschaft relevanten Nutzen zu stiften (hundertausende Arbeitsplätze, Mieten, Werbeausgaben etc)?

LEARNINGS?

  1. Währung: Eine starke Überbewertung der Heim-Währung aus Sicht des Konsumenten stellt heute jede Handelslandschaft vor riesige Herausforderungen. Das Argument „teuer“ brennt sich im Konsumentenhirn ein und ist kaum mehr zu eliminieren.
  2. Zölle: Einziger Steuerungsmechanismus wären Zölle (nicht das ich das für sinnvoll erachte), welche für alle (Konsumenten und Unternehmen) identisch ausgestaltet sind. Sobald eine Partei Vorteile geniesst, funktioniert das System Zoll nicht mehr. In der Schweiz funktioniert es derzeit zugunsten der Konsumenten, der Handel ist ganz klar im Nachteil.
  3. Deklarationsvorschriften: dito. Wenn der Händler im Heimmarkt gegenüber den Konsumenten in Bezug auf Deklarationspflichten schlechter gestellt ist, kann kein Gleichgewicht entstehen. In der Schweiz hat derzeit der Konsument einfachere Ausweichmöglichkeiten
  4. MWST: Wenn Zoll und Deklarationsvorschriften mit MWST-Vorteilen gepaart werden, wirkt dies für den EInkaufstourismus online wie offline wie ein Turbo. Derzeit geniessen Schweizer Konsumenten im EU-Raum MWST-Steuervorteile.
    Es wäre eigentlich an der Zeit, sich endlich zu fragen, warum ein ausländischer Konsument in der EU heute überhaupt noch MWST zurückverlangen kann…
  5. Je früher in einem Bereich harter Wettbewerb entsteht, desto eher stellt sich der Handel darauf ein und profitiert der Konsument.

Wenn wir diese Szenarien weiterspinnen, kann der Handel irgendwann kaum mehr Mitarbeiter beschäftigen, weil er kontinuierlich genötigt wird Preisdifferenzen zum Ausland aufgrund einer überbewerteten Währung zu korrigieren. Dies wird uns grösste volkswirtschaftliche Probleme bescheren, wenn sich an der Währungsfront nichts ändert. Und hier denke ich nicht nur an Arbeitslosigkeit (was selbstredend das grösste und nächste Problem ist). Ich denke an sinkende MWST- und Gewinn-Steuereinnahmen, an sinkende Liegenschaftenrenditen von Gewerbeliegenschaften und daraus abgeleitet an leidende Pensionskassenverzinsung. Ich denke an ökologische Auswirkungen, Infrastrukturprobleme und und und…

WAS INTERESSIERT’S DEN HOMO OECONOMICUS?

All diese Argumente, Herleitungen und Begründungen interessieren den Konsumenten in keiner Weise, null, nada. Er optimiert und profitiert mehrheitlich was das Zeugs hält. Und dies wird der Schweizer Handel 2016 ff zu spüren bekommen. Leider bekommen es auch die vielen Handelsangestellten zu spüren. Mir wäre immer noch ein höheres Preisniveau mit guter Beschäftigung lieber, damit das Perpetuum noch ein wenig weiter dreht. Ich träume weiter…

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