Fair-Preis-Initiative: Inkraftsetzung des indirekten Gegenvorschlags per 1. Januar 2022

Der Bundesrat hat am 17. September 2021 entschieden, den vom Parlament beschlossenen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» auf den 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen. Damit geht eine Änderung des Kartellgesetzes sowie des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb einher.

Wie sind Händler mit Aktivitäten in der Schweiz von dieser Gesetzesanpassung betroffen? Hier gibt es zwei völlig unterschiedliche operative Facetten:

  • In der Schweiz ansässige Händler sollten sich mit der Terminologie „relativ marktmächtige Unternehmen“ und der „Beschaffungsfreiheit“ auseinandersetzen.
  • Aus dem Ausland operierende Onlinehändler müssen sich mit dem aus der EU bekannten „Geoblockingverbot“ für den Zielmarkt Schweiz befassen.

Geoblockingverbot im UWG

Stark vereinfacht bedeutet das „Geoblockingverbot“ für ausländische Online-Händler mit Aktivitäten in der Schweiz: Ein Schweizer Konsument dar auf der „nicht Schweizer“ Seite surfen und bestellen. Der Konsument darf nicht immer automatisch auf die Schweizer Seite umgeleitet werden, sondern muss die Möglichkeit haben, die ausländische Seite zu besuchen und dort an eine Adresse im entsprechenden Land zu bestellen. Es besteht für den entsprechenden Händler aber keine Pflicht, die bestellten Artikel in die Schweiz zu liefern. Natürlich gibt es dazu eine lange Liste mit Ausnahmen.

Konkret: Ein Anbieter, welcher eine .ch Domain pflegt und gleichzeitig das gleiche Angebot mit einer .de, .fr oder ähnlicher Domain anbietet, muss ab 1.1.2022 auf der entsprechenden ausländischen Seite einem in der Schweiz wohnhaften Bürger die Möglichkeit einräumen, etwas zu bestellen und im entsprechenden Markt an eine (Liefer-)Adresse liefern zu lassen. Er darf den Konsumenten nicht „geopolitisch“ blockieren.

Was von Konsumentenschutzorganisationen frenetisch gefeiert wird, ist im Onlinehandel de facto schon lange üblich. Das Geoblocking wurde auf EU-Ebene vor 2 Jahren umgesetzt, die WEKO hat in der Schweiz immer wieder Unternehmen abgemahnt, welche in früheren Jahren in der Schweiz Geoblocking angewandt haben. Der Grenze entlang haben sich längst diverse Paket-Abholdienste eingerichtet und einige Unternehmen bieten schon lange den „Komplett-Service“ mit MWST-Abrechnung und Verzollung an. Nichts Neues also?

Doch, ein wenig schon: Neu ist gesetzlich geregelt, dass eine „diskriminierungsfreie“ Möglichkeit der Bestellung auf der Auslandsdomain angeboten werden muss. Wer schon mal auf ausländischen Domains unterwegs war, weiss dass dies nicht immer einfach ist. Die Erfassung einer Bestelladresse ist dabei noch das kleinste Problem, grössere Herausforderungen könnten sich beim Bezahlen ergeben (z.B. dass ausländische Kreditkarten nicht akzeptiert werden, weil Sonderkommissionen aufgrund anderer Währungsbasis fällig werden u.ä.).

Weitere möglichen Umsetzungs- und Interpretationsfragen sind ungelöst. Heisst Diskriminierungsfrei auch, dass sich der ausländische Anbieter dann an den neuen Schweizer Datenschutz halten muss, auch wenn es eine Schweizer Website gäbe? Wie funktioniert es mit einer Rückzahlung von Guthaben aus Retouren? Darf ich Garantiefälle dann bei der Schweizer Niederlassung geltend machen? Etc., etc.

Die Krux liegt wie immer im Detail und wir werden die Entwicklungen natürlich verfolgen. Wir gehen davon aus, dass sich mit der neuen Regelung im B2C Online-Handel nichts bis wenig ändern wird. Aber es gibt halt ein Gesetz und wo ein Gesetz ist, sind Konflikte und Interpretationen nicht weit.

Relativ marktmächtige Unternehmen und Beschaffungsfreiheit

In diesem Kontext geht es für Händler mit Sitz in der Schweiz in erster Linie darum, dass mit der neuen Regelung eine Beschaffungsfreiheit im Ausland gesetzlich festgeschrieben wird. Der neue Artikel  7 Abs. 2 Bst. g E-KG im Kartellrecht besagt, dass ein relativ marktmächtiges Unternehmen sich unzulässig verhält, wenn es „die Möglichkeit der Nachfrager, Waren oder Leistungen, die in der Schweiz und im Ausland angeboten werden, im Ausland zu den dortigen Marktpreisen und den dortigen branchenüblichen Bedingungen zu beziehen“ einschränkt.

Ist damit nun jegliche Beschaffungsfreiheit gegeben? Auf Basis der Gesetze ja, in Realität wahrscheinlich kaum. Natürlich kommt es auf die zu beschaffenden Güter an. Sobald es aber um Strom, spezielle Inhaltsstoffe, Deklarationen etc. geht, wird es schwierig auszuweichen. Es wird sicherlich Fälle geben, in denen diese neue Regelung hilft, neue Quellen anzugehen, aber die Wirkung dürfte in Bezug auf die Auslandsbeschaffung marginal bleiben.

Ob in der Schweiz der „neue“ Begriff „relativ marktmächtig“ etwas auslösen wird, ist dann wieder eine ganz andere Geschichte. Wir beobachten gespannt.

Ein Eigentor? Das war wahrscheinlich nicht gewollt war…

Mit Neuformulierung von Artikel 3a UWG wird unseres Erachtens auch stipuliert, dass auch Schweizer Onlinehändler ausländische Kreditkarten von Schweizer Kunden akzeptieren müssten. Wenn also ein in der Schweiz wohnhafter Konsument in einem Schweizer Onlineshop mit einer in China herausgegebenen VISA Kreditkarte bezahlen möchte, muss der Schweizer Onlineshop diese Kreditkarte akzeptieren, ansonsten gemäss Gesetz eine Diskriminierung vorliegt.

Oder liegen wir hier mit der Interpretation falsch? Hier sind wir gespannt auf Eure juristischen Auslegungen/Entgegnungen/Berichtigungen unter dem Argument „sachliche Rechtfertigung“. Danke für Eure Rückmeldungen auch zu den anderen Ausführungen.

Rechtliche Würdigung

Eine ausführliche rechtliche Würdigung der neuen Gesetzgebung finden Sie bei unseren Partnern von MLL Meyerlustenberger Lachenal Froriep AG. Freude über ein gelungenes Gesetz tönt anders. Und dass man im Gesetzgebungsprozess von „Platzhaltern“ für kommende (E-Commerce) Gesetze spricht, sagt alles über die erwartete Wirkung der Neuerungen.

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