Studie «Nachhaltige Beschaffung und verantwortungsvolle Lieferketten 2023»

Das Thema Nachhaltigkeit im Einkauf ist für Unternehmen wichtiger denn je. Das belegt die Studie „Nachhaltige Beschaffung und verantwortungsvolle Lieferketten 2023“ des JARO Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung e. V. in Zusammenarbeit mit der CBS International Business School und der B2B Beschaffungsplattform Unite. 65 Prozent der Befragten halten das Thema für sehr relevant; bei der Referenzstudie im Jahre 2020 waren es nur rund 54 Prozent.

 

Widerspruch zwischen Nachhaltigkeitsanspruch und Verhalten
Nachhaltigkeit ist für viele Unternehmen und Organisationen noch immer ein sehr abstraktes Thema. Die Verantwortlichen tun sich oft schwer damit, die erforderlichen Veränderungen ganzheitlich anzugehen. Etwa ein Drittel der Studienteilnehmenden hat eine nachhaltige Beschaffungsstrategie implementiert oder damit begonnen. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei der Schulung der eigenen Mitarbeitenden. Aber nur 12 Prozent haben Nachhaltigkeitskriterien in die Lieferantenbeurteilung integriert. Und gerade einmal rund sechs Prozent schulen die Lieferanten, wo doch Kooperation und Know-how-Transfer zentrale Erfolgsfaktoren für die Umsetzung einer nachhaltige Beschaffungsstrategie sind. Hier gilt es, im Schulterschluss zwischen Management, Einkauf und Lieferanten strategische Ansätze und Lösungen zu entwickeln – basierend auf einer gründlichen Untersuchung der eigenen Ausgangslage und einer Wesentlichkeitsanalyse.

Beschaffungsentscheidungen müssen nachhaltiger werden
Auch bei den Beschaffungsentscheidungen ist die Diskrepanz zwischen dem Bestreben nach Nachhaltigkeit und der tatsächlichen Implementierung im Einkauf ist groß. So liegen wichtige Entscheidungskriterien wie die Risikobewertung oder die Nachhaltigkeitsleistung von Lieferanten sowie die Lebenszyklusbetrachtung auf den hinteren Plätzen. Traditionelle Kriterien wie Qualität, Lieferzeit oder Anschaffungspreis werden derzeit als wichtiger eingeordnet, geprägt durch die Ad-hoc-Herausforderungen der Permakrise. Doch dies ist zu kurz gedacht.

„Eine robuste Lieferkette wird es in Zukunft nicht ohne Nachhaltigkeit geben. Damit ändert sich auch die Rolle des Einkaufs. Statt einer reinen Kostenbetrachtung geht es um die Investition in die Zukunft, denn mit der Nachhaltigkeitsleistung werden langfristig die Gewinne erzielt. Warengruppen- und Lieferantenmanagement werden zwei wichtige Zukunftsthemen sein“, ergänzt Prof. Dr. habil. Lisa Fröhlich, Professorin für Strategisches Beschaffungsmanagement an der CBS International Business School. „Dies bedeutet auch, dass der Einkauf mehr Verantwortung übernehmen und Wissen aufbauen muss, um Strategien zu hinterfragen und kritisch zu bewerten. Die strategische Zusammenarbeit wird essenziell. Es geht darum, globale Lieferkettennetzwerke aufzubauen, anstatt nur die direkten Lieferanten zu betrachten.”

Vernetzung von Lieferketten noch nicht ausreichend im Fokus
Mit Blick auf relevante Informationen von Lieferanten zeigt sich erneut eine Diskrepanz zwischen Absicht und Verhalten. So sind Unternehmen und Organisationen nach eigener Aussage immer mehr dazu bereit, Nachhaltigkeit auch finanziell zu honorieren. 44 Prozent der Befragten würden höhere Preise für Anbieter zahlen, die sozial und ökologisch verantwortlich handeln. Weitere 35 Prozent würden dies teilweise tun. Dies ist eine positive Aussage, zeigt sie doch, dass Nachhaltigkeit ein Wert beigemessen wird. Allerdings spiegelt sich dies nicht entsprechend in der Umsetzung wider, etwa bei der Relevanz von Lieferanteninformationen für die Beschaffungsentscheidung. So schauen Beschaffungsverantwortliche heute eher auf Wirtschaftsdaten von Lieferanten (40 Prozent) als auf Umweltdaten (23 Prozent) oder eine Übersicht von Vorlieferanten (12 Prozent), um die Nachhaltigkeit über die gesamte Lieferkette hinweg zu betrachten. Im Vergleich zur Befragung aus dem Jahr 2020 hat die Betrachtung der Vorlieferanten sogar um 27 Prozentpunkte an Bedeutung verloren. Diese Entwicklung ist als sehr bedenklich einzustufen, da noch immer nicht der Mehrwert transparenter Lieferketten erkannt wird.

Erwartungen von Kunden treiben Nachhaltigkeit
Es gibt also viel zu tun für Unternehmen, denn der Markt erwartet mehr Verantwortung. So sind Kundenanforderungen heute mit 82 Prozent der stärkste Treiber für nachhaltiges Handeln, gefolgt von der intrinsischen Motivation (81 Prozent), klaren Arbeitsanweisungen (77 Prozent) oder gesetzlichen Regulierungen (75 Prozent). Allerdings braucht es bei der Umsetzung noch Unterstützung. So muss unter anderem über den strategischen Einkauf eine Risikobewertung und ein entsprechender Rahmen für den Einkauf festgelegt werden. So können Verantwortliche in der operativen Beschaffung beispielsweise konkret dabei unterstützt werden, auf den ersten Blick abstrakte Nachhaltigkeitskonzepte praktisch in ihren Prozessen umzusetzen, beispielsweise durch Weiterbildungsangebote. Ebenso braucht es eine analytische Hilfestellung, welche den Wert von Nachhaltigkeit in der täglichen Beschaffung greifbar macht.

„Die großen Schritte machen wir nur gemeinsam, denn Nachhaltigkeit ist ganz klar auch ein Vernetzungsthema zwischen Einkauf und Anbietern. Nur wenn Unternehmen ihre Vorlieferanten und ihre Lieferketten genau kennen, können sie Risiken minimieren und ihrer Verantwortung gerecht werden. Hierfür braucht es vor allem Transparenz über die Vernetzung von Lieferketten, Daten über die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien sowie die Bereitschaft des Einkaufs, diese Informationen stärker in Entscheidungen einzubeziehen“, erklärt Eva Winkler, Sustainability Product Manager bei Unite.

Die vollständigen Studienergebnisse mit Handlungsempfehlungen für den nachhaltigen Einkauf stehen unter dem folgenden Link zum Download bereit: Studie zur nachhaltigen Beschaffung

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