Post will Paketpreise für Geschäftskunden erhöhen

Am Sonntag erschien in der NZZ am Sonntag ein „Primeur“ mit explosivem Titel: Die Post denkt über Preiserhöhungen nach. Gebannt und gespannt haben auch wir den Artikel gelesen und möchten an dieser Stelle unsere Haltung zum Thema platzieren. Wir analysieren die Berichterstattung und geben zu einzelnen Absätzen unsere Kommentare dazu, vielleicht hilft dies auch dem einen oder anderen Leser die Ankündigung einzuordnen.

Onlinehandel boomt – Verdoppelung der Paketmenge?

«Der Onlinehandel boomt, die Paketmenge wächst seit Jahren stark. Das hat Folgen für die Post. Sie kann das immer grössere Volumen mit ihrer bestehenden Infrastruktur längerfristig nicht mehr bewältigen. Vor einiger Zeit hat sie darum angekündigt, drei neue, regionale Paketzentren in Cadenazzo (TI), Vetroz (VS) und Untervaz (GR) zu bauen. Kostenpunkt: 190Mio. Fr. Anfang Juni gab sie bekannt, in Ostermundigen (BE) ein weiteres, kleineres Paketzentrum einzurichten. Kosten für den Ausbau des bestehenden Standorts: 8 Mio. Fr. Von diesen kleineren Paketzentren dürfte es in Zukunft noch einige weitere geben. Sie sollen die Transportwege verkürzen, was Zeit und Kosten spart, wie Postlogistics-Chef Dieter Bambauer erklärt. Doch es steigen nicht nur die Volumen und die Investitionen. Die Post bietet auch immer neue Dienstleistungen an. Empfänger können online steuern, wann, wo und wie sie ihre Pakete erhalten wollen. Die Post führte die Zustellung am Abend, am Samstag und am Sonntag ein. Und an einer stetig wachsenden Zahl von Paketautomaten können Sendungen gar rund um die Uhr abgeholt werden.»

Wir begrüssen es sehr, dass die Post ihr Paketlogistikstruktur den steigenden Mengen und Bedürfnissen anpasst. Wir behaupten seit 2015, dass sich die Paketvolumen bis 2028 im Vergleich zu heute annähernd verdoppeln werden. Entsprechend sind Massnahmen in der Auslastung der Verteilzentren aber auch in der Verteilung der Pakete notwendig. Post Logistics hat aber 2018 ein Betriebsergebnis von 145 Mio CHF erzielt (oder 8.6 % des Umsatzes) und sollte Investitionen in die Infrastruktur selber finanzieren können. Es sei denn der Bund wird zu gierig und die Divisionen müssen künftige Ergebnisrückgänge anderer Einheiten mit Dividende kompensieren (z.B. PostFinance…). Auch die neu eingeführten Services lässt sich die Post bezahlen oder sie dienen der Prozessoptimierung. Wir gehen aufgrund des Preisgefüges und der Preisentwicklung davon aus, dass sowohl Samstags- als auch Abendzustellung rentabel oder zumindest kostendeckend sind. Weitere Volumensteigerungen werden diese Services zusätzlich «rentabilisieren». Der Post Logistics dürften heute aus dem erfreulichen Betriebsergebnis nach Abschreibungen und nach Steuern (und Dividendenanteil) ca 40-80 Mio für Investitionen und Innovationen zur Verfügung stehen. Ob dies in der langfristigen Betrachtung reicht? Wir können es aufgrund fehlender Segements-Bilanzinformationen nicht nachvollziehen (zumindest habe ich es nicht gefunden, für Hinweise bin ich dankbar).

Preiserhöhung für Unternehmen

Deshalb will die Post nun an den Paketpreisen schrauben. «Wir möchten leichte Preiserhöhungen einführen», bestätigt Bambauer. Diese geplante Anpassung betrifft nicht die Pakete, die etwa von Konsumenten persönlich verschickt werden. Sie machen heute nur noch einen kleinen Teil des Paketvolumens aus. Sondern die Tarife für die Geschäftskunden. Versandhändler verschicken übers Jahr teilweise Millionen von Paketen. Bambauer wird die angedachte Preisanpassungen nun mit den Geschäftskunden besprechen. Er äussert sich nicht dazu, wie hoch sie sein sollen. Es dürfte sich aber um eine einstellige Prozentzahl handeln.

Wir interpretieren diese Zeilen ein wenig und sehen hier andere Beweggründe. Für den laufenden «normalen» Tagesbetrieb gibt es keinerlei Anlass über Preiserhöhungen zu sprechen. Dafür sind die 145 Mio CHF Betriebsergebnis zu gut bzw. zu hoch. Wir gehen aber davon aus, dass die Post sich die gleichen Gedanken macht wie deren Kollegen in Deutschland: Peak-Pricing. Die Volumen-Volatilität hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. An den Konsumfeiertagen im November und Dezember laufen die Bänder bei der Post und den Onlinehändlern heiss. Insbesondere von Montag auf Dienstag dürften die Mengen in die Höhe schiessen (generell). In den November und Dezembertagen beten die Logistikverantwortlichen zusätzlich jeden Abend, dass kein Schnee fällt. Die Kapazitäten sind an diesen Tagen so stark ausgereizt, dass nichts Unvorhergesehenes passieren darf. Und wenn es mal passieren sollte: Es wird ein Dominostein umkippen und viele, viele Nachwehen mit sich bringen. Die Post aber auch andere Zusteller tun gut daran, sich akribisch und mit allen Mitteln auf die heisse Phase 2019 vorzubereiten und die weitere Volumensteigerung für die Folgejahre zu antizipieren.

Unterjährig stösst die Post nach verregneten Wochenenden regelmässig am Montag Abend in der Sortierung und am Dienstag in der Verteilung an Grenzen. Die Onlinehändler selber stossen am Montag an ihre Grenzen und drehen am Mittwoch am Däumchen. Eigentlich haben beide das gleiche Problem, es stellt sich die Frage, ob dies «gesteuert» werden kann? Wir meinen, die Herausforderung über den Preis zu steuern sei Symptom- und nicht Ursachenbekämpfung. Es braucht vielmehr gemeinsame Anstrengungen die Peaks bewältigen oder gar glätten zu können. Dies beginnt bei den Händlern und hört beim Milch- oder vielleicht auch dem digitalen Paketkasten auf. Die Logistikkette muss neu gedacht werden. Und vielleicht wird irgendwann die Geduld des Konsumenten mit Gratisversand belohnt, bekommt die Ungeduld dann ein Preisschild?

Sind schnelle Pakete wirklich notwendig?

Ja, wir hören die Argumente der Post und Medien: Der Kunde braucht keine so hohe Liefergeschwindigkeit. Wir sind einverstanden, aber nur wenn sich jeder Händler so verhält. Sobald ein relevanter Händler Geschwindigkeit als Kommunikationsinstrument einsetzt, wird die Sache kompliziert. Wir pflegen hier jeweils die Analogie zum Ausverkauf oder Blackfriday: Niemand möchte «ihn», alle tun es trotzdem…Genau so verhält es sich bei der Liefergeschwindigkeit.  Also: Der Preis allein wird die operative Herausforderung Geschwindigkeit nur in Extremvarianten lösen, dies dürfte nicht im Interesse oder der Gedanke der Post sein.

Argument: gute Arbeitsbedingungen

Wie viel die Konsumenten davon merken könnten, ist offen. Den Versandhändlern etwa ist es selbst überlassen, welche Preise sie den Kunden für die Lieferung verrechnen. Die britische Post erhöhte die Paketpreise kürzlich um 4,5% Nimmt man diese Erhöhung zum Massstab, würden sich die Geschäftskundenpreise für ein Priority-Paket bis 2 Kilogramm von Fr. 8.36 auf Fr. 8.74 erhöhen. Für ein Economy-Paket wäre es ein Anstieg von Fr. 6.50 auf Fr. 6.79. Ab einer gewissen Umsatzgrösse erhalten Geschäftskunden auf diesen Tarifen Rabatte.
Das sind Denkansätze und Möglichkeiten, nicht mehr und nicht weniger. Wie oben erwähnt gehen wir nicht von einer pauschalen Erhöhung aus – das würde das Problem nicht lösen. Wenn überhaupt eine Preiserhöhung denkbar ist, dann in Volllastphasen – ähnlich den Sommerferien bei den Reiseveranstaltern.

Es gibt neben den hohen Investitionen und dem Ausbau der Leistungen noch weitere Gründe, weshalb eine Preiserhöhung laut Bambauer nötig ist. Einer davon sind die Arbeitsbedingungen. Das abschreckende Beispiel ist für ihn Europa. «Die Anstellungsbedingungen für Transporte auf der letzten Meile in Europa sind ein Skandal», sagt er. Der Beruf werde völlig unterschätzt: Die Paketzustellung sei ein Handwerk, jeder Zusteller fälle jeden Tag Dutzende Entscheide, um seine Pakete bestmöglich ans Ziel zu bringen. «Die dafür nötige Fähigkeit wird in Europa nicht richtig entschädigt», sagt er.

Es ist vom Onlinehändler zu akzeptieren: Der Zusteller ist eine der wichtigsten Personen in unserem Prozess. Entsprechend sind wir daran interessiert, dass die Zusteller einen guten Job machen. Einen guten Job machen zufriedene Angestellte, welche fair entschädigt werden. Wenn die Post nun präventiv Preiserhöhungen für die Angestellten fordert, dann ist das deren gutes Recht und vielleicht sogar gerechtfertigt – wir kennen die Details dazu nicht. Aber auch hier gilt: Wir haben ein Volatilitäts-Thema auf dem Tisch. Die Volatilität sollte nicht mit Geld, sondern mit operativ vertretbaren Massnahmen angegangen werden. Wenn aber einfach für die Zusteller generell mehr Lohn bezahlt werden soll, dann erreichen wir genau nichts und bauen die Peaks noch weiter auf, ohne kreativ nachzudenken. Nochmals: Auch wir möchten die Zustellung als wertvollen und wichtigen Faktor anerkennen, es braucht aber mehr als einfach nur Geld. Es braucht Intelligenz, neue Zustellinfrastruktur (wo ist im Forderungskatalog der digitale Paketkasten?) aber auch Flexibilität seitens Handel und Zustellorganisationen bevor man über generelle Preiserhöhungen spricht. Wir meinen: Postlogistics kann dies heute sehr gut einordnen und spricht über angepasstes Pricing in besonderen Situationen. Wir sind überzeugt, dass es vor der generellen Preiserhöhung Massnahmen gibt, welche bestehende Infrastrukturen besser nutzen – darüber muss diskutiert werden.

Es soll allen gutgehen

«Aber ich bin überzeugt: Konsumenten, Onlinehändler, Politik und Sozialpartner werden dafür sorgen, dass der Lohndruck nicht immer weiter zunimmt. Weil das langfristig für niemanden nachhaltig ist.»

Genau, dem ist nichts beizufügen.

Fazit

Cool bleiben, miteinander sprechen und Lösungen suchen! Wir bleiben dabei: Pauschale Preiserhöhungen sind kein Thema. Gezieltes Peak-Pricing hingegen zumindest diskutabel.

Und was ist mit dem Kleinpaket für Schweizer Händler?

An dieser Stelle muss es jetzt noch kommen: Das Kleinpaket (oder Kleinwarensendung gemäss UPU). Seit Jahren finanzieren oder subventionieren wir unterirdische Preise für asiatische Online-Riesen. Das wird dann regelmässig als nicht änderbar taxiert. Wenn diese asiatischen Anbieter wie Wish, Ali und Co nur schon normale Schweizer Preise hätten bezahlen müssen, hätte die Post über die letzten 4 – 5 Jahre wahrscheinlich die ersten 100 Millionen CHF für die neuen Center im Sack gehabt… bittere Realität.

Never say never again

Und zum Schluss erinnern wir uns einer Vertragsverhandlung vor x Jahren mit der Post: «Bei der Post wird es nie Preismodelle geben wie bei einer Airline». Et voilà. Zwar nicht für den Konsumenten, aber ziemlich sicher für den Händler scheint es Realität zu werden. Sag niemals nie.

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