Schweizer Online-Handel – Hort des Bösen?

Wenn man die Debatte um das Widerrufsrecht verfolgt hat, musste man den Eindruck bekommen, der Schweizer Online-Handel sei der Hort des Bösen und in jedem Online-Shop laure eine unglaubliche Gefahr. Fernsehzuschauer und Radiohörer aber auch Gönner des SKS müssen den Eindruck haben, dass jeder Händler ein Betrüger sei und kein einziger Online-Shop in der Schweiz ein Rückgaberecht anbietet. Ja, es wurde viel Blödsinn behauptet, polemisiert und selbst Bundesrätin Sommaruga (Vorsteherin EJPD) scheint am Schluss irgendwie den Überblick verloren zu haben worum es geht:

„Da bestellen Sie einen Staubsauger. Sie möchten nur den Stecker einstecken und schauen, ob er überhaupt funktioniert. Da müssen Sie ja die Originalpackung öffnen. Aber wenn Sie der Minderheit folgen, haben Sie überhaupt nichts mehr. Dann haben Sie überhaupt nichts mehr, keine Möglichkeit, das zu prüfen, nur schon ob es funktioniert! Einstecken, schauen – o. k., es funktioniert. Dann können Sie es dann auch nic02ht mehr zurückschicken.“

Wofür gibt es denn eine Gewährleistungspflicht von 2 Jahren? Braucht es dafür ein Widerrufsrecht? Wenn etwas nicht wie versprochen funktioniert gibt es gesetzliche Grundlagen, welche erst vor kurzem verschärft wurden.

Am Schluss lag immer nur noch dieses Argument auf dem Tisch: Die EU hat es, wir müssen es auch übernehmen, unsere Konsumenten werden benachteiligt.

WIE SIEHT ES IN DER REALITÄT AUS?

Hat sich da vielleicht schon einmal jemand gefragt wie es in der Realität aussieht? Welches in der Schweiz tätige EU-Unternehmen gewährt dem Schweizer Konsumenten kein Rückgaberecht? Welches Schweizer Unternehmen handelt in der Schweiz und der EU und gewährt dem Konsumenten in der Schweiz kein Rückgaberecht? Sie werden eine ernüchternde Bilanz ziehen müssen und höchst wahrscheinlich feststellen: Keines (und sonst lassen sie es mich wissen).

Sie werden feststellen, dass es Kleinst- und Kleinunternehmen mit Fokus Schweiz gibt, welche kein Rückgaberecht einräumen, weil sie es sich nicht leisten können. Sie werden feststellen, dass gewisse Elektronik-Onlinehändler kein Rückgaberecht einräumen, weil sie mit einer Bruttomarge von 3 – 5 % versuchen Geld zu verdienen (es gibt auch Elektronik-Händler mit Rückgaberecht – die sind dann meistens etwas teurer). Sie werden feststellen, dass Lebensmittelhändler, Medikamentenversender und Parfumanbieter gewisse Ausnahmen machen. Verständlich oder? Vernünftig wahrscheinlich auch. Es reguliert sich nämlich von alleine.

Sie werden feststellen, dass wenn ein Schweizer etwas in China bestellt, ein Rückgaberecht nach China nicht durchsetzbar ist. Wenn ein Schweizer in den USA etwas bestellt, dürfte es ähnlich problematisch oder zumindest mühsam werden ein Schweizer Gesetz durchzusetzen (wobei  sich in den USA ebenfalls das freiwillige Rückgaberecht durchgesetzt hat).

Ja, sie werden feststellen, dass das Rückgaberecht gar kein reales Problem darstellt, denn unsere Konsumenten agieren mündig und kompetent. Sie werden feststellen, dass die meisten Problemfälle klassische Betrugsfälle sind, wo ein Unternehmen gezielt Konsumenten in die Irre führt (meistens mit hohen Rabatten, Zahlung gegen Vorauskasse und häufig mit Websiten aus dem Ausland). Sie werden feststellen, dass Gewährleistungsthemen häufiger anzutreffen, für diese aber bereits gesetzlicher Schutz des Konsumenten besteht. Sie werden feststellen, dass der Markt viel schneller antizipiert (zu Gunsten des Kunden) als der Gesetzgeber überhaupt reagieren kann und wir in der Schweiz Online-Handel mit einem guten Niveau betreiben – zumindest was den Umgang mit Kunden betrifft.

WAS IST EINE LEGITIMATION FÜR EIN GESETZ?

Und darum sind wir folgender Meinung: Nur weil etwas fast alle tun, braucht es nicht ein Gesetz für die anderen, die es nicht tun. Das war und wird nie eine Legitimation für ein Gesetz in der Schweiz sein. Nur weil es die EU tut, muss es nicht klug sein – man sollte sich inhaltliche Fragen stellen dürfen, selbst in der EU stellt man sich diese Fragen aktuell (insbesondere leiden dort die Kleinunternehmen unter dem Widerrufswahn).

DEMOKRATISCHER PROZESS UND POLEMIK

Wir haben uns am politischen Prozess mit unserer Meinung beteiligt. Wir haben  getan was wir für richtig befinden und werden es weiterhin tun. Wir haben Argumente geliefert und uns für eine ordentliche, sachlich fundierte Auslegeordnung eingesetzt. Wir hatten weder Zutritt zum Bundeshaus, noch haben wir eine ehemalige Mitarbeiterin als Bundesrätin, noch sitzt unsere Präsidentin im Nationalrat. Wir haben keine eigene Fernseh- und Radiosendung und bekommen auch nicht jedes Jahr vom Staat 250’000 CHF.

Wir haben über 200 Mitglieder auf welche ich ungemein stolz bin und welche sich seit Jahren um einen fairen und seriösen Online-Handel bemühen. Wir unterstützen die Ombudsstelle E-Commerce und tun alles dafür, dass der Kunde jedes Paket als Geschenk empfindet. Denn wir wissen: Ein Fehler und er (der Kunde) kommt nie wieder. (Ok, es gelingt nicht in 100 % der Fälle, das ist bei 30 Millionen Paketen pro Jahr aber auch nicht so einfach…)

Wir sind u.E. sachlich geblieben, haben auf rechtsstaatliche Probleme in der Auslegung der Initiative hingewiesen und die Rolle von BR Sommaruga in diesem Prozess hinterfragt.Wir sind für konstruktive Gespräche zu haben, aber die polemische und ideologische Kampagne des SKS über den armen Konsumenten sind wir ganz einfach Leid. Es ist unerträglich geworden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Top