EURO im Sinkflug – same procedure as 2015?

Zuerst ein Geständnis: Dieser Blog ist sozusagen ein Plagiat eines Berichts aus dem Jahr 2015 und 2011. Die Fakten haben sich kaum geändert, die Heuler auch nicht.

Es stellen sich aktuell die gleichen Fragen wie schon 2011 und 2015 und wahrscheinlich sind auch die Antworten identisch. Ein erneuter Versuch für mehr Differenzierung:

WAS KANN EIN SCHWEIZER HÄNDLER TUN? KANN ER SEINE PREISE JETZT UM 10 % SENKEN?

Wohl kaum und es ist eine Illusion / Wunschdenken von staatlich (in CHF) finanzierten Institutionen wie SKS oder Preisüberwacher, welche solche Pauschalforderungen ohne jegliche Differenzierung stellen. Aber auch die Medien leisten ihren Beitrag.

Ich werde nicht aufhören nachstehende Tabelle als Faustregel für mögliche Preissenkungen zu „verkaufen“. Bislang hat noch niemand das Gegenteil beweisen können:

Konkret: Stellen Sie erstens fest, wieviel Fremdwährungsanteil sie in ihrer Erfolgsrechnung haben. Zweitens: wieviel billiger können Sie die Fremdwährung resp. den Fremdwährungskorb einkaufen? Der im Schnittpunkt liegende Prozentwert zeigt Ihnen, wieviel billiger sie ihr Produkt zum Zeitpunkt x anbieten können ohne Deckungsbeitrag zu vernichten.

Wenn wir also in der aktuellen Situation davon ausgehen, dass sich der EURO im Vergleich zum Zeitpunkt 2021 um 10 % „verbilligt“ hat und Ihre Erfolgsrechnung einen Fremdwährungsanteil EURO von z.B. 30 % hat, können sie ihre Preise um 3 % senken, ohne ihren Deckungsbeitrag zu reduzieren. Eigentlich eine einfache Rechnung, leider ist aber Rechnen noch immer eine Kunst. Die „Trainer mit Sitz auf der Tribüne“ hören nicht auf, mit der ewigen Preisdifferenzdiskussion zu suggerieren, dass bei allen Händlern alle Kosten in EURO anfallen (der im Jahresvergleich stärkere USD kommt in deren Weltbild schon gar nicht vor) und endlich Preisgleichheit geboten wäre.

WELCHE MÖGLICHKEITEN HAT EIN HÄNDLER ZU AGIEREN?
  • Service und Freundlichkeit
  • Liefer-Geschwindigkeit und Verfügbarkeit erhöhen (= mehr Risiko eingehen…)
  • Kulanz und Zusatzleistungen (Garantieverlängerungen, Gratis Wartung, Gadgets dazu geben)
  • Forcierung von 2. und 3. Käufen mit Gutscheinen und Rabatten
  • Altware mit möglichst hohen Rabatten abverkaufen und die Lager mit möglichst kleinem Schaden leeren
  • Prozesse effizienter gestalten
  • mehr in EURO einkaufen (u.a. auch Dienstleistungen… ?)
  • Lowseller eliminieren
  • … oder auf die andere Seite der Grenze gehen…
  • Pareto (20/80 Regel) noch stärker spielen lassen

WAS SOLLTE DER HÄNDLER NICHT TUN?

  • hoffen, dass sich der Kurs wieder signifikant erholt
  • die Moralkeule schwingen
  • die Faust im Sack machen und tatenlos warten
  • über die bösen Konsumenten schimpfen, welche im Ausland einkaufen
  • staatliche Massnahmen fordern
  • noch mehr Fläche mieten
  • Investitionen in Technologie zurückfahren
  • Investitionen in Optimierungsmassnahmen zurückstellen

Ich weiss, ich sitze hier im gemütlichen Bürostuhl und schreibe Dummheiten. Ich behaupte aber gleich auch noch ein paar andere Dinge, welche sie nachdenklich machen sollten – auch wenn sie mich einen Funktionär oder ähnlich schimpfen:

DER WÄHRUNGSDRUCK IST EIN FITNESSPROGRAMM

  1. Dies ist nun der 4 „Währungsknick“ in den letzten 15 Jahren. Diese Veränderung ist zwar überraschend und nicht zuletzt infolge kriegerischer Umstände in unser Leben eingetreten, aber in der Höhe der Abwertung ist er durchaus mit den anderen Einbrüchen zu vergleichen. Händler sollten sich darauf gefasst machen, dass dies nicht der letzte solche Vorgang war und der Schweizer Franken seit ein paar Jahrzehnten schon zur Stärke neigt. Es wird wieder passieren! Vielleicht sollte man sich einfach mal einen Baukasten zusammenstellen, welcher aus Erkenntnissen von Massnahmen der letzten „Währungskrisen“ besteht um diesen bei solchen Entwicklungen aus der Schublade zu ziehen.
  2. Die Preise für vergleichbare Güter gleichen sich seit diesem bösen Onlinehandelszeitalter weltweit langsam aber sicher an. Machen sie sich also generell auf tiefere Preisniveaus gefasst, mit oder ohne Währungsdruck.
  3. Nehmen sie es als Herausforderung und nicht als Schicksal an. Sollten sie eher zum Schicksal tendieren, dann geben sie den Handel in der Schweiz besser auf. Das Schicksal wird in 5 Jahren wieder erbarmungslos zuschlagen.
  4. Wenn Sie diese schwierige Phase zur weiteren Optimierung und Verbesserung von fast allem nutzen (=Herausforderung), was in ihren Augen schon optimiert und perfekt ist, dann werden sie nochmals besser und noch stärker sein als je zuvor.
  5. Nachdem sich die Behauptung, dass der Franken tendenziell immer stärker wird immer wieder bestätigt und die anderen Währungen immer schwächer werden: Auch sie werden nicht darum herumkommen, mehr in Fremdwährungen einzukaufen, auch wenn es sie fast zerreisst und sie zum Standort Schweiz stehen wie kein anderer. Diesen Weg müssen die meisten Händler mitgehen.
  6. Sobald es ihnen wieder „besser“ geht: Bilden sie wenn möglich regelmässig eine „Währungskrisenreserve“, welche sie beim nächsten Währungsschock schnell freimachen und marketingtechnisch geschickt einsetzen können.

WIE WIRD SICH DER EINKAUFSTOURISMUS ENTWICKELN?

Es ist anzunehmen, dass die Karawanen ins grenznahe Ausland nun wieder etwas zunehmen. Ich gehe davon aus, dass der Einkaufstourismus nicht wieder wie vor 5 Jahren um 20 – 30 % springt, sondern weniger. Was führt mich zu diesem Gedanken? Diejenigen, welche seit Jahren regelmässig im Ausland einkaufen, können wahrscheinlich ihre Frequenz und Warenkörbe nicht mehr substantiell erhöhen – es sind dies die regelmässigen Einkaufstouristen, welche grenznah wohnen und aus Routine so einkaufen.

Die Gelegenheitseinkäufer werden kurzfristig wieder massiv zulegen, dies wird den Handel temporär treffen – aber es wird sich wieder legen. Hier werden vor allem „Kleininvestitionen“ wie Möbel, Küche, Auto etc. davon betroffen sein und die Reisekoffer werden nach dem Auslandsaufenthalt auch gut gefüllt sein. Aber das waren sie ja eigentlich seit 5 Jahren schon….

Die einzige substanzielle Änderung zu den letzten Währungsturbulenzen: Der Online-Einkauf im Ausland dürfte hingegen kaum mehr substanziell zulegen. Zu stark haben sich Preise eben auch dank Online-Wettbewerb über die Grenzen hinweg angeglichen. Die Einführung des Geoblockings per 1. Januar 2022 hat zu keinen weiteren Verschiebungen geführt und wird weiterhin keine Effekte haben, da eben die Preisunterschiede immer kleiner geworden sind.

Kurzfristig und unvorbereitet haben Händler fast keine Möglichkeiten als mit a.o. Rabatten zu arbeiten um die „Altware“ loszubekommen. Das tut weh und frisst die heute schon kleinen Margen weiter auf. Mittelfristig sollte es aber ein kontinuierlicher Prozess und Szenario in ihren Überlegungen sein „Was passiert wenn der Franken um 10 % aufwertet“? Denn wie gesagt: ES DÜRFTE WIEDER UND WIEDER PASSIEREN!

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