OMNI-Channel – Fluch oder Segen

Ein Beitrag von Beat Steiner – Retail Experte bei Zucchetti – Partner des HANDELSVERBAND.swiss

Mit diesem etwas provokanten Titel für ein Thema, welches viele Händler aktuell beschäftigt möchte ich auf Chancen und Risken aufmerksam machen. Als Retail Enthusiast, bin ich seit über 30 Jahren bei verschiedensten Retailern im DACH-Raum als Projektleiter, Consultant oder IT-Leiter unterwegs.

Bevor wir aber beginnen den Fluch zu verstehen hier zuerst etwas Theorie. Was ist eigentlich OMNI-Channel? OMNI-Channel bedeutet mehr als nur Multi-Channel! Bei Multi-Channel beginnt ein Händler neben «nur» online oder «nur» stationär einen zweiten Kanal aufzubauen, in welchem er mit Kunden agiert. Dies muss nicht zwingend ein Umsatz/Absatzkanal sein, es kann auch ein Social Media-Kanal sein, ein Call Center etc., aber diese Kanäle sind grundsätzlich nicht miteinander verbunden.

Bei OMNI-Channel oder Cross-Channel sind die Kanäle miteinander verbunden und arbeiten zusammen. Der Kunde kann jederzeit zwischen den Kanälen wechseln, ohne seinen Customer Journey abbrechen zu müssen oder zu verlieren.
Seamless Retail wäre anschliessend der logische Schritt nach OMNI-Channel. Das Ziel von davon ist es, ein völlig nahtloses Kundenerlebnis zu schaffen, bei dem der Kunde gar nicht merkt, dass er zwischen verschiedenen Kanälen wechselt.

Aus meiner Sicht ist OMNI-Channel also ein kanalübergreifendes Geschäftsmodell eines Händlers, das darauf abzielt, ein möglichst konsistentes Kundenerlebnis zu bieten, unabhängig davon, über welchen Kanal der Kunde mit dem Unternehmen interagiert.

Was können die Chancen von OMNI-Channel für einen Händler sein?

  • Verbessertes Kundenerlebnis: Kunden können den Kanal wählen, der ihnen am besten passt, und sie haben immer Zugriff auf die gleichen Artikel, Preise bzw. den Warenkorb oder Information.
  • Erhöhte Kundenzufriedenheit: Kunden sind zufriedener, wenn sie zwischen den Kanälen wechseln können und somit ihre Journey schneller und bequemer abschliessen können.
  • Grössere Reichweite: Durch die Nutzung mehrerer Kanäle erreicht der Händler als OMNI-Channel-Retailer mehr Kunden. Vor allem die verschiedenen Onlineformen Social Media, Webshop etc. geben sofort eine vergrösserte Reichweite.
  • Mehr Umsatz: Er kann den Umsatz steigern, indem er Kunden auf allen Kanälen anspricht.
    • Studie des EHI Retail zeigt: Onlinehändler mit OMNI- oder Cross-Channel-Angeboten wachsen deutlich schneller als reine Onlinehändler.
    • Eine Studie von PwC zeigt: 73% der deutschen Konsumenten kaufen lieber bei Händlern, die sowohl online als auch offline präsent sind.

Wo Chancen und Vorteile – da auch Risiken und Nachteile. Mit meinen Erfahrungen aus den letzten Jahren stelle ich heute die Behauptung auf, dass OMNI-Channel für grosse und mittlere Händler sicher ein «Muss» ist, sich aber auch kleinere Händler sehr gut überlegen sollten, sich auf diese Reise zu begeben, oder ob «nur stationär» oder «nur online» am Ende nicht rentabler sein könnten. Die Umsetzung von OMNI-Channel in einem Unternehmen ist ein komplexer Prozess, der eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Abteilungen beim Händler erfordert. Wird dies nicht richtig angegangen kann dies zu Problemen führen. z.B.

  • Höhere Kosten: Die Investition in mehrere Kanäle wird die Kosten erhöhen. Dies durch entsprechende Projekte und vor allem durch höhere Betriebskosten. (Prozesse, Systeme, Personal etc.)
    • Die Abbildung von OMNI-Channel Prozessen wie Click & Collect, Click & Reserve, Click & Express (Ship from Store) braucht viel Zeit in der Konzeption und Umsetzung.
    • Oftmals ist die Aufrechterhaltung des Betriebs dieser Prozesse dann zwar ein schöner Service für den Kunden, aber teurer als der anfänglich gemachte Umsatz.
  • Mehr Komplexität: Die Verknüpfung der Kanäle wird komplexer sein, als viele denken:
    • Wem gehört jetzt der Umsatz einer Webshop-Bestellung, welche in der Filiale abgeholt wird? Oder wird sie sogar in der Filiale gepickt anstatt im Zentrallager? Die Filiale hat den Aufwand, das Webshop Team den Umsatz?
    • Was passiert mit einer Retoure aus dem Webshop, welcher in der Filiale zurückgegeben wird, aber in der Filiale gar nicht gelistet ist?
    • Inkonsistente Daten und Informationen: Wo laufen die Daten von Transaktion vom Kunden zusammen? Gibt es eine ganzheitliche Sicht? Habe ich KPI zu den OMNI-Channel-Prozessen? Hat der Kunde über alle Kanäle die gleichen Informationen zu Produkten, Verfügbarkeiten, Kampagnen und Preisen? Wird der Kundenwarenkorb für alle Kanäle gleich berechnet?
    • Ist die Customer Journey für einen Endkunden einfach und durchgängig?
  • Fehlendes Verständnis – Fehlendes Change-Management: Die Mitarbeitende und Kunden müssen auf die neuen OMNI-Channel-Prozesse vorbereitet werden.
    • Wieso soll der Filialleiter nun Werbung für den Webshop machen? Er wird ja am Umsatz seiner Filiale gemessen.
    • Wieso soll der Einkäufer die Produkte nun mit Fotos und Zusatztexten für den Webshop versehen? Der Kunde sieht das Produkt ja im Regal der Filiale.
    • Verwirrung und Frustration bei Kunden, wenn er den neuen Prozess nicht versteht oder dieser nicht intuitiv ist. Oder schlechte Erreichbarkeit: Kunden finden nicht den richtigen Kanal, um mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten.
    • Demotivation der Mitarbeitende: Mitarbeitende müssen mit unzufriedenen Kunden umgehen und frustrierende Prozesse bewältigen
  • Verringerte Kundenbindung: Kunden, die mit dem Kundenservice oder der Customer Journey unzufrieden sind, wechseln schneller zu einem anderen Anbieter.

Dies alles kann zu Verlust von Kunden und Umsatz führen. Des Weiteren bleibt der Retailer statt auf mehr Umsatz, auf höheren Betriebskosten sitzen.

 

Mein Fazit:
Die richtige Etablierung des OMNI-Channels ist für den Erfolg eines Unternehmens in der heutigen Zeit unerlässlich. Unternehmen, die dies nicht richtig tun, riskieren, Kunden, Umsatz und Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Sollte sich ein Händler auf die OMNI-Channel-Reise begeben wollen, hier einige Tipps aus meiner Erfahrung:

  • Strategie: Das Unternehmen sollte eine klare Strategie für OMNI-Channel entwickeln. Diese Strategie betrifft Ihr ganzes Unternehmen! Einkauf, Finanzen, Logistik, Verkauf, Marketing und die IT. Es ist kein reines IT-Thema!
  • Mitarbeitende: Die Mitarbeitende müssen verstehen, was das Unternehmen vorhat. Die Aufgaben im Unternehmen werden sich für viele Mitarbeitende ändern. Alle Mitarbeitende müssen von Anfang an auf die Reise mitgenommen werden. Machen Sie die Betroffenen zu Beteiligten.
  • Klein beginnen: Starten Sie als Händler mit einem oder zwei Prozessen. Geben Sie sich Zeit dafür und versuchen Sie nicht alles schon voll zu integrieren. Weniger ist manchmal mehr. Verwerfen Sie auch einen Prozess wieder, welcher nicht funktioniert.
  • Technologie: Die Prozesse und IT-Architektur des Händlers sollten untersucht werden, bevor begonnen wird. Nicht jedes System kann um OMNI-Channel erweitert werden. Die heutigen Technologien können zu Gunsten des Händlers genutzt werden.
  • Unterstützung: Unterdessen haben viele Unternehmen Erfahrung mit OMNI-Channel gemacht. Ein Händler sollte sich Hilfe von Aussen holen. Er muss nicht mehr die gleichen Fehler machen wie seine Mitbewerber.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass OMNI-Channel ein wichtiger Schritt ist, um ein besseres Kundenerlebnis zu bieten, mehr Reichweite zu generieren und am Ende mehr Umsatz zu machen. Der Händler muss sich aber auch bewusst sein, dass OMNI-Channel auch mehr Kosten und Komplexität in das Unternehmen bringt. Wenn er diese Punkte berücksichtigt, dann wird ihm eine erfolgreiche Transformation vom einfachen Händler zum erfolgreichen OMNI-Channel-Retailer gelingen.

Mehr Infos zu Zucchetti finden Sie hier.

 

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