Net Zero Emissions Day

Rund 100 Personen aus dem Umfeld unseres Verbandes haben sich am 31. März 2022 zum Net Zero Emissions Day in der Umwelt Arena getroffen. Fazit des Anlasses: Nachhaltigkeit wird zum Standard, der von Konsumenten erwartet, aber von Händlern geschaffen werden muss!

 

Warum Net Zero – und was bedeutet das überhaupt?

Prof. Dr. Nicolas Gruber, Dep. Umweltsystemwissenschaften, ETH Zürich

In einem eindrücklichen Auftaktreferat zeigt Prof. Dr. Gruber auf, wo wir stehen und vor allem wohin wir noch müssen. Die gute Nachricht: Das 2 Grad Ziel ist zwar ambitiös, aber machbar. Die CO2 Emissionen müssen doppelt so schnell (bzw. in der halben Zeit) abgebaut werden, wie sie aufgebaut worden sind! Nettonull funktioniert nur, wenn wir auch CO2 entfernen („removal“) – denn es wird immer CO2 Emittenten geben, es sei denn wir verzichten auf Stahl oder Beton.

Ein Ansatz für negative Emissionen ist die Aufforstung. Doch es würde 7 Erden brauchen, um mit Aufforstung den Bedarf an „removal“ zu decken. Entsprechend gross ist der Bedarf an Forschung und Entwicklung maschineller CO2-Entfernung. Auf die Frage, ob mit NetZero auch wieder ein Temperaturrückgang denkbar wäre, lautete die eindrückliche Antwort: „Ein Rückgang ist theoretisch denkbar. Es braucht dazu aber Ereignisse, welche wir nicht unbedingt erleben wollen.“

Net Zero und Carbon Removal – Die Rolle von Direct Air Capture

Climeworks AG

Bereits 2019 hat uns Christoph Beuttler von Climeworks eine Lösung für Carbon Removal aufgezeigt. Was damals noch futuristisch tönte, hat in der Zwischenzeit prominente Unterstützung gefunden: Microsoft gehört zu den Unterstützern / Investoren von Climeworks und die erste CO2 Vernichtungsmaschine in Island läuft seit 2021 auf Hochtouren. Viele weitere sind geplant und bis 2027 sollen jährlich 400’000 Tonnen CO2 „vernichtet“ werden. Aber auch diese Menge ist noch lange nicht ausreichend, sie lässt aber Hoffnung zu, dass die heutige Skalierbarkeit gepaart mit weiterer Forschung und Entwicklung nochmals eine gewisse Potenzierung möglich macht. Dieses wichtige Puzzlesteinchen im ganzen Set von Massnahmen auf dem Weg zu NetZero kann von fast jedermann unterstützt werden!

Transparenz in der Lieferkette – Messen und Reduzieren des CO2-Fussabdruckes
Swisscom und Sweep

Res Witschi von Swisscom zeigte auf, wie Swisscom bereits einen grossen Schritt in Richtung NetZero gemacht hat, dieser Weg aber schon in den 90er Jahren angegangen wurde. Die Swisscom geht nun die neu justierten Pariser Ziele an und bereitet sich auf den härtesten Abschnitt der Reise vor: Die „low hanging fruits“ sind schon lange geerntet, jetzt geht es an die Knochenarbeit.

Begleitet wird Swisscom vom Softwareanbieter Sweep. Die Dokumentations- und Planungssoftware hilft dem Unternehmen die Ziele im Auge zu behalten, Erreichtes zu dokumentieren und Geplantes zu priorisieren. Grade in einem grossen Unternehmen sind solche Projekte nicht mehr ohne Software zu stemmen. Sweep bietet hier Hilfestellung und Motivation für jeden einzelnen involvierten Mitarbeiter.

Mit wissenschaftsbasierten Klimazielen zu Netto-Null – Das SBTi-Projekt der Wirtschaft
Science Based Targets initiative Schweiz

Die Initiative der Schweizer Wirtschaft unterstützt Unternehmen die Ziele auf dem Weg zu NetZero festzulegen, zu kommunizieren und aufzuzeigen, auf welchem Pfad sich die „industrielle“ Schweiz befindet. Interessierte Unternehmen können bei Sustainable Switzerland sbti@go-for-impact.ch gratis eine Experten-Erstberatung anfordern, damit das Projekt sicher zum Erfolg wird!

Net Zero – glaubwürdige Ziele und Massnahmen für Unternehmen
south pole

south pole Teams entwickeln und bewerten in 14 Ländern weltweit gemeinsam mit ihren Kunden die Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen und setzen diese praktisch um.  Neben den Zielen der Emissionsreduktion stützt south pole aber gleichzeitig auch Initiativen zur CO2-Vernichtung – sei es über Aufforstung oder auch Carbon Removal wie am Beispiel Climeworks aufgezeigt.

Carbon Accounting: Wie Retailunternehmen Transparenz über ihren CO2- Fussabdruck schaffen
Planetly

Wie „manage“ ich so ein Projekt und führe die Daten, Massnahmen, Wirkungen etc. nach? Planetly hat hierfür eine Methodik und eine passende Software mit hinterlegtem Standardvorgehen entwickelt. Unternehmen gelingt es damit das NetZero-Projekt abzubilden und nachhaltig zu bearbeiten. Einige grosse Händler haben die Software von Planetly bereits im Einsatz: Hornbach schildert, wie es gelingt die komplexen Aufgabenstellungen eines Multifilialisten mit Onlinehandel einfach und verständlich abzubilden

Klimaschutz in der Otto Group: Wo kommen wir her und wollen wir hin?
Otto Group

Bereits 2006 hat die Otto Group Klimaziele definiert und per 2020 das gesteckte Ziel der Halbierung (von 300’000 tCO2 auf 150’000 tCO2). Eine weitere Reduktion um 40% auf Basis 2018 ist für das Jahr 2025 angestrebt. Damit hätte Otto innerhalb von rund 20 Jahren den CO2-Fussabdruck um rund 200’000 tCO2 oder 2/3 verringert. Eine stolze Leistung, die letzten Kilometer sind aber bekanntlich die Härtesten.

Puzzlestein KickBag in der CSR-Strategie von PKZ
PKZ Burger-Kehl & Co. AG

Seit 2021 setzt PKZ eine Multi-Use Verpackung für den Versand von Textilien ein – wo immer möglich und wenn vom Kunden gewünscht. Nach einem halben Jahr wählten schon 30% der Kunden den KickBag als Verpackung für Ihre Bestellungen. Bereits nach zwei Rücksendungen ist der KickBag ökologisch besser als eine Schachtel. Nach 4 Retouren lohnt sich der KickBag auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Wir haben mit PKZ einen Händler kennengelernt, der an die Kreislaufverpackung glaubt und spannende Erfahrungen mit dem Produkt sammelt. Der Kunde akzeptiert dies offenbar auch und gegen ein bescheidenes Retouren Porto von 0.95 CHF pro (leerer) Rücksendung wird damit aktiv Verpackungsmaterial eingespart.

Intelligent Design for a Circular Future 
FREITAG lab.
AG

Wer glaubt, dass sich Freitag mit der Umwandlung von Lastwagenblachen in Taschen/Accessoires als Kreislaufunternehmen sieht, der irrt sich gewaltig. In eindrücklicher Art und Weise hat uns Anna Blattert, Circular Technologist, aufgezeigt, dass der heute bekannte „Verwandlungsprozess“ nichts weiter als Abfallvermeidung ist und Freitag höhere Ansprüche hat: Aus der Tasche soll eines Tages wieder eine Blache werden. Ja, Freitag arbeitet an einem Blachen Material, welches zuerst für Lastwagen verwendet werden soll und später zur Tasche wird. Nicht mehr verwendete Taschen werden dann wieder in einzelne Rohstoffbestandteile zerlegt und zu neuen, schönen Lastwagenblachen verarbeitet. Freitag wird damit zum Lastwagenblachen-Produzenten und die Tasche ist nur noch Mittel zum Zweck! Wie cool ist das denn? Das Referat hat wunderbar aufgezeigt, dass echte Kreislaufwirtschaft nicht beim getrennten Sammeln und beim einmal Wiederverwerten aufhört, sondern einen kontinuierlichen Kreis als Ziel verfolgt! Wir ziehen den Hut und wünschen uns noch mehr solche Initiativen.

Die Runde mit Verpackungsanbietern: Brieger, Antalis und Rajapack

Die Kartonschachteln am Strassenrand sind zum (negativen) Symbol für den boomenden Onlinehandel geworden. Obwohl der Kartonverbrauch des Onlinehandels nur im mittleren einstelligen Prozentbereich des gesamten Papier- und Kartonverbrauchs liegt, ist sich die Branche bewusst, dass in der Umverpackung viel Verbesserungspotential brach liegt. Die Beispiele der Verpackungsanbieter zeigten auf, wie mit alternativen Materialen, ans Volumen angepassten Schachteln oder aber auch mit einfachen Ersatzprodukten platzsparender, leichter und ökologischer verschickt werden kann. Und – man getraut es sich fast nicht mehr laut zu sagen – richtig verwertete Plastikverpackungen wären vom CO2-Fussabdruck her den Kartonverpackungen ebenbürtig oder zum Teil sogar überlegen. Es wird grade angesichts der aktuellen Verwerfungen am Papiermarkt interessant zu beobachten sein, in welche Richtung die Reise geht: Multi use Verpackungen (im Normalfall Plastik) und Versand „ohne“ Umverpackung dürften in den nächsten Monaten und Jahren nochmals gewaltig zulegen.

Net Zero: Das Potenzial der Kreislaufwirtschaft
Circular Economy Switzerland

Nicolai Diamant hat uns den Spiegel vorgehalten: Wir haben in der Schweiz bisher vor allem gesammelt und weniger in echten Kreisläufen gedacht. Wir sind zwar Recycling Weltmeister, aber noch lange nicht Kreislauf Weltmeister. Recycling bzw. das Sammeln ist häufig immer noch eine Vorstufe zum Abfall. Die Industrie muss weiterdenken und andere Aspekte miteinbeziehen: Reparieren, Wiederverwenden und Teilen werden in künftigen Geschäftsmodellen immer wichtiger. Wer nicht weiter als über Recycling und Sammeln hinausdenkt, trägt kaum etwas zu den hoch gesteckten NetZero Zielen bei.

 Vision for Driving Change: The Future of Packaging
TerraCycle Germany GmbH

In einem eindrücklichen Referat hat Tom Szaky von TerraCycle aufgezeigt, dass das „Wiederverwenden“ zentraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft ist und damit ökologisch und betriebswirtschaftlich erfolgreiche Geschäftsmodelle betrieben werden können. Mit dem Loop Konzept ist TerraCycle in verschiedenen Ländern mit grossen Anbietern im Geschäft und die Konsumenten machen mit. Das Geheimnis lautet: Convenience. Wenn es für den Kunden einfach ist mitzumachen und so etwas Gutes zu tun, dann macht er auch mit. Etwas überraschend ist die Erkenntnis, dass die Loop Systeme mit zum Teil substanziellen „Deposits“ (Pfand) arbeiten – aber auch dies scheint kein Hinderungsgrund zu sein. Wir warten auf die ersten Loop Projekte in der Schweiz!

Reducing returns with the use of technology
Zalando

Retouren sind ärgerlich, teuer und zu hoch. Wie kann die Retourenquote substanziell reduziert werden? An einem Drittel der Retouren sind die Grössen schuld. Zu gross, zu klein, zu breit, Schnitt passt nicht etc. Ein Problem, welches jeder kennt und eine Erfahrung welche Mann/Frau sowohl in Umkleidekabinen im stationären Handel wie auch beim Onlinehandel und somit in der Umkleidekabine zu Hause macht. Des Rätsels Lösung? Technologie und Kundendaten. Zalando forscht und entwickelt Modelle, die den Kunden bei der korrekten Wahl der Grösse unterstützt. Mit einfachen Mitteln sollen noch in diesem Jahr die ersten Kunden Avatare anlegen können und so Grössenretouren vermindert werden. Tests haben ergeben, dass damit die Retourenquoten um ca. 10 % gesenkt werden können. Tönt nicht nach viel, hat aber einen Rieseneffekt: Weniger Lagerbestand, weniger Produktion, weniger Überschuss und am Schluss hoffentlich sogar genauere Produktion dank mehr Daten. Wir warten gespannt auf den Moment, in welchem wir unseren Avatar zum ersten Mal nutzen können.

Unser Fazit

Es gibt unzählige Hebel für Händler, um zum NetZero Ziel beizutragen. Natürlich trägt jeder einzelne Bürger, jeder Konsument eine Mitverantwortung und man kann Verantwortung immer auch delegieren. Am Schluss kann aber der Handel und der Produzent das Zepter in die Hand nehmen und dem Kunden keine andere Wahl lassen als nachhaltig zu handeln. Das Ziel unserer Mitglieder muss und wird sein: Der Kunde kauft bei uns nachhaltig, weil er gar keine andere Wahl hat.

Wir durften einen Wahnsinns-Tag mit vielen wunderbaren Menschen – Teilnehmern wie Referenten – bei einem tollen Gastgeber – der Umwelt Arena – verbringen. Ein Besuch der Umwelt Arena Spreitenbach sei jedem empfohlen, ob mit oder ohne Rahmenprogramm wird Nachhaltigkeit dort erlebbar.

Die verschiedenen Präsentationen werden auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

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